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(21.12.1874-8.7.1951)
"Meine Schweine Adolf Hitler und von Hindenburg"

Paul Riechert

Dithmarscher SS schlendert durch Heide

wurde 1874 in Neuhardenberg geboren. Nach seiner Lehre als Schriftsetzer und Buchdrucker fiihrten ihn seine Wanderjahre über Flensburg nach Heide.
1903 heiratete er Ella Margarethe Dreeßen aus Blankenmoor. 1903-1915 wurden acht Kinder geboren. Die Riecherts erwarben die Druckerei in der Heider Süderstr. 15 & 15a.
Die Erlebnisse im 1. Weltkrieg machten Paul Riechert zum Pazifisten und Anhänger der Weimarer Republik. Schon 1919 hisste Riechert -als erster in Heide- die schwarz- rot- goldene Fahne. Wann er der Sektion der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) in Heide gegründet hat, läßt sich nicht mehr feststellen, ebensowenig wie die wahrscheinliche Mitgliedschaft in der SPD. Wohl war er auch Mitbegründer des Heider Reichsbanners.
Gegen Mitte der zwanziger Jahre beginnt Riechert mit dem Verlegen pazifistischer Bücher. Die "Deutsche Zukunft", die Zeitschrift der DFG erscheint ab 1927 in Heide.
Bereits 1932 gehen in der Süderstraße mehrmals die Scheiben zu Bruch. Die Polizei fahndet ohne Erfolg nach den Tätern aus der Heider SA.
Am 3.5.33 werden Paul und sein Sohn Martin Riechert in Schutzhaft genommen, zwei Lastwagen voller Druckschriften von der Polizei beschlagnahmt. Am 15.5. freigelassen, erfolgt am 24.6.33 die erneute Verhaftung von Paul, Martin und der jüngsten Tochter Lisa Riechert. Am 17.6. werden sie wieder freigelassen, doch hatte sich die SA ein besonders übles Schauspiel einfallen lassen.:
Paul und Martin wurden auf einen bereitgestellten Pferdewagen gestoßen. "Ihnen wurden vorbereitete Schilder mit den Aufschriften 'Ich bin ein Hoch- und Landesverräter' und 'meine Familie ist ebenso' um den Hals gehängt. So ging die Fahrt durch die Stadt, auch am eigenen Haus vorbei". (M.v.Borries) Die Menschen an den Straßen reagierten mit Beklemmung und Schweigen. Es gab zwar keine Zustimmung, aber auch kein Mitleid oder Zuspruch für die Opfer.
Nach einem weiteren Tag in Schutzhaft konnten sich Paul und Martin Riechert nach Dänemark absetzen. Ella Riechert blieb noch in Heide, um die Druckerei vor weiterem Schaden zu bewahren. Ende 1934 folgte sie nach. 1937 kehrte sie nochmals nach Heide zurück, um das Inventar der Druckerei nach Dänemark zu schaffen, wo es zum Materialwert verkauft werden konnte.
1938 wurden den Riecherts die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt, das Vermögen enteignet.
Ella Riecherts Klage gegen die Stadt Heide auf Rückerstattung für die 1933 beschlagnahmten Bücher verlief im Sande, da sie die Höhe des Verlustes nicht mehr nachweisen konnte. Als Entlastungszeugen für die Stadt Heide konnte Helmut Sund (bis 1945 HJ-Bannführer) und Karl Herwig (NS-Bürgermeister 1937- 1945, SS- Standartenfiihrer und ehrenamtlicher Leiter der Heider Außenstelle des Sicherheitsdienstes SD der SS) gewonnen werden.

Viele Tote Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter

Es gibt in Heide 2 Gräberfelder aus den Jahren 1941 bis 1945, die uns einiges über die Nazizeit verraten.
In der hintersten Ecke des Südfriedhofs befinden sich 2 Grabreihen mit Kreuzen, auf denen man Namen slawischen Ursprungs lesen kann, darunter sind etliche Kindergräber.
In der Mitte befindet sich ein Massengrab, das auf 18 namentlich nicht erwähnte Sowjetbürger hinweist.
Hinter dem Westermoorweg befindet sich ferner ein Massengrab für 80-100 nicht näher identifizierte russische Gefangene.
Für Hitler waren Slawen rassisch minderwertig, und er bezweckte die Ausrottung der "jüdisch-bolschewistischen" Führungsschicht und die Versklavung und Dezimierung der Massen. Demzufolge waren Ostarbeiter auch nach Ansicht der Machthaber in Heide es nicht wert, neben Deutschen beerdigt zu werden.
Die Ostarbeiter waren größtenteils in Sammellagern mit schweren hygienischen Mangeln untergebracht, auch die Frauen und die Kinder. Die Lebensmittelzuteilungen waren grundsätzlich geringer als für Westarbeiter und insgesamt unzureichend. Diesen Lebensbedingungen waren auch die Kinder ausgesetzt. Die Anwesenheit vieler Kinder unter den Ostarbeitern läßt sich mit den brutalen Zwangsmaßnahmen in Polen zur Beschaffung von Arbeitskräften erklären, die auch vor Frauen mit kleinen Kindern nicht haltmachten.
Den russischen Kriegsgefangenen wurde der Schutz der Genfer Konventionen grundsätzlich aberkannt. Die Toten wurden nackt nur in einen Papiersack gesteckt und auf Handkarren durch die ganze Stadt zum Massengrab gekarrt.
Als Todesursachen sind Transport ohne Rücksicht auf den Gesundheitszustand Unter- und Fehlernähnmg, Krankheit und Kostveränderung dokumentiert.
Mit Kostveränderung ist gemeint, daß man die halbverhungerten Russen hier in Dithmarschen auf eine Kohlkost umstellte.
Dazu einige Hintergrundinformationen: am 22.Juni 1941 hatte Hitler die Sowjetunion überfallen. Dabei waren Hitler in kurzer Zeit ca. 3.3 Millionen russische Soldaten in die Hände gefallen. Unter den wehrlosen Gefangenen wurden zunächst ca. 500000 "politisch oder rassisch untragbare Elemente" umgebracht Die übrigen wurden in riesigen Massenlagern meist unter freiem Himmel verwahrt und kaum ernährt. Viele verhungerten, erfroren oder starben an Seuchen. Als der Arbeitskräftemangel in Deutschland durch die Einziehung fast aller deutschen Männer zum Wehrdienst immer krasser wurde, entschloß man sich zum Transport der Gefangenen ins Reich. Diese Transporte in offenen Zügen oder in Viehwaggons, meist ohne jegliche Versorgung, überlebten viele Gefangene nicht
Insgesamt sollen von den etwa 5.7 Millionen sowjetischen Gefangenen 3.5 Millionen in deutschem Gewahrsam ums Leben gekommen sein.
Besonders erschütternd ist das Schicksal der russischen Kriegsgefangenen und der Zivilarbeiter als sogenannte "displaced persons" nach dem Krieg. Stalin ging in seinem Verfolgungswahn namIich davon aus, daß die meisten Verräter waren und ließ die Zurückgekommenen umbringen oder in ein Lager stecken. Viele wehrten sich daher verzweifelt gegen den Rücktransport. der von den Allierten aber zwangsweise durchgesetzt wurde.