Kampf um fünf Prozent

Mit einer Welle von Warnstreiks hat die IG Metall am Mittwoch ihrer Forderung nach 5% mehr Lohn und Gehalt für die rund 3,4 Millionen Beschäftigten der Metall- und Etektroindustrie Nachdruck verliehen.

Den Vorwurf der Gewerkschaft, noch kein Angebot vorgelegt zu haben, wies Gesammtmetall- Präsident Martin Kannegießer am Mittwoch im ZDF zurück. >>Wir haben sehr wohl ein relativ detailliertes Angebot vorgelegt<<, behauptete er. Eine lange Hängepartie wie im öffentlichen Dienst könne sich die Metallwirtschaft nicht leisten, so der Unternehmerfunktionär, der Lohnerhöhunge von maximal 1,2 bis 1,4 % für möglich hält. >>Mit den aktuellen Warnsreiks setzt die IG- Metall offen auf Eskatation, anstatt konstruktiv am Verhandlungstisch eine Lösung zu suchen<<, sekundierte Dieter Hundt von der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BdA). >>Das Geschrei der Arbeitgeber ist nicht glaubwürdig<<, konterte Peters und warf ihnen bei einer Kundgebung zum Streikauftakt in Saarlouis Verweigerung >>auf ganzer Linie<< vor. Sollten die Verhandlungen, die am 6. April fortgesetzt werden, nicht erfolgreich sein, könnte es bald zu einem richtigen Arbeitskampf kommen. >>Wenn vor Ostern keine Verhandtungslösung erkennbar ist, werden wir nach Ostern über Streik und Urabstimmung Nachdenken<<, kündigte der nordrhein- westfälische IG- Metall- Bezirksteiter Detlef Wetzel in der Rheinischen Post vom Mittwoch an.

Zehntausende beteiligten sich bundesweit an Arbeitsniederlegungen und Protestaktionen. Auch im öffentlichen Dienst wird weiter gestreikt. Am Rande einer Demonstration in Hannover zeigte sich ver.di- Chef Frank Bsirske allerdings kompromissbereit. Sofort nach Ablaufen der Friedenspfticht in der Nacht am Mittwoch hat die IG Metall die Beschäftigten verschiedener Metallbetriebe im Bundesgebiet zu vorübergehenden Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Allein in Nordrhein-Westfalen beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben mehr als 33000 Metaller aus 182 Betrieben. Bei Ford in Köln demonstrierten am Vormittag 10 000 Arbeiter für die Forderungen der IG Metall. Neben einer Lohnerhöhung von 5 % will diese einen Tarifvertrag zur Qualifizierung und Innovation sowie den Erhalt der bisherigen Regelungen für vermögenswirksame Leistungen durchsetzen. Bei einer Kundgebung in Düsseldorf forderte der IG- Metall- Vorsitzende Jürgen Peters die Unternehmer auf, endlich ein Verhandlungsangebot zu machen. Wir wollen keinen Streik, aber wir scheuen auch nicht den Konflikt, sagte er vor 4500 Demonstranten.

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Streiks in Zeiten von Harz IV 7.3.2006.

Die Landesbediensteten haben sich ordentlich geschlagen und mussten erstmals nicht nur Zugeständnisse machen.

Der seit knapp acht Wochen andauernde Streik im öffentlichen Dienst wurde unterdessen fortgesetzt. Ver.di-chef Frank Bsirske forderte die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vor mehr als 12000 Demonstranten in Hannover erneut zu Verhandlungen auf. Er sei zuversichtlich, dass im Saarland begonnene Sondierungsgespräche für die Landesbediensteten ein Impulsgeber für andere Bundesländer sein könnten. >>Letztlich zielen wir aber auf eine Gesamtlösung mit der TdL<<, betonte Bsirske. Er deutete zudem an, dass ver.di öffnungsklauseln akzeptieren könnte. >>Es hängt nur von der Ausgestaltung ab. Trotzdem haben wir uns no nicht von der 38.5- Std.- Woche verabschiedet<<, so Bsirske. Es muss aber ein Gesamtpaket geschnürt werden, in dem die Arbeitszeit nur ein Aspekt ist.

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Baden- Württemberg

Der seit fünf Wochen andauernde ver.di-streik in Baden-Württemberg und zehn anderen Bundesländern ist in aller Munde. über 25000 Beschäftigte gingen am Montag in Stuttgart auf die Straße. In Zeiten von hoher Erwerbslosigkeit machen Arbeitszeitverlängerungen keinen Sinn. Die Schärfe der Auseinandersetzungen hat in Zeiten von Harz IV zugenommen, denn Arbeitsplätze sind rar und werden kontinuierlich abgebaut. Ein Augenschein in Sachen Kampf der IG Metall gegen Betriebsschließungen.

Beispiel Nürnberg

Der Streik bei AEG Nürnberg wurde mit einer Urabstimmung am 7. März nach mehr als sechs Wochen beendet. 81% der Beschäftigten stimmten für einen Sozialtarifvertrag, das Werk wird geschlossen. Der Mutterkonzern Electrolux musste sein ursprüngliches Angebot um mehr als 50 Millionen € aufstocken. Dennoch verfehlt die IG Metall die Mehrhelt - "für wie blöde halten die uns eigentlich", fragen sich die Beschäftigten. Der Elektrolux Konzern hatte in Stockholm beschlossen, das AEG Werk in Nürnberg aufzugeben und die Produktion in Billiglohnländer zu velagern. Es kam zu einem Streik der Beschäftigten. Nun sind viele Streikende sauer: "Unsere Zukunft hei6t ALG II (Interview). Danke, IG Metall...

Beispiel Berlin

In Berlin haben in letzter Zeit mehrere Belegschaften gegen Betriebsschließungen gekämpft. Beispielsweise für einen Sozialplan beim Bildröhrenwerk Samsung in Berlin- Oberschöneweide gegen die geplante Schließung von Stiebel Eltron zum 30. Juni 2006, die Schließung von JVC (Produktionsstandort in Berlin Reinickendom zum 1.3.2006.

Streik bei CNH Berlin

Am 23. November 2005 hat die Geschäftsleitung die Belegschaft darüber informiert, dass die FIAT Tochter CNH (Case New Holland) beschlossen hat, die Fertigung im Berliner Baumaschinenwerk (früher Orenstein & Koppel) zu schliessen und damit rund 500 Arbeitsplätze zu vernlchten. Aus Sicht des Betriebsrates und der IG Metall wäre damit auch das Ende des gesamten Standorts mit etwa 590 Beschäftigten absehbar. Die Belegschaft kämpft für den Erhalt der Arbeitsplätze. Die Verhandlungen über Sozialtarifvertrag bei CNH sind gescheitert in einer Urabstimmung vom 16. Februar 2006 entscheiden sich 92,3 % der IGM-Mitglieder für den Streik. Seit Dienstag, 21.02.06, 06.00 Uhr, wird der Betrieb bestreikt.

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Christiane Sengebusch; DLZ

Die Fronten im Tarifkonflikt sind verhärtet. Eine Lösung zeichnet sich nicht ab . In dieser Situation ist es völlig unverständlich, dass der Tarifstreit nun zum Parteienstreit verkommt und sich nicht einmal mehr die Arbeitgeberseite grün ist. An Hartmut Möllrings (CDU) Diktat-Methoden ist einiges auszusetzen. Es ist offensichtlich: Er will keinen Kompromiss. Und damit ist klar, dass die Gewerkschaft Ver.di und der Beamtenbund ihre Streiks fortsetzen werden. Völlig unklug ist es in dieser Lage von Ralf Stegner (SPD), seinen Partner am Verhandlungstisch öffentlich zu rügen. Er und seine Genossen, die sich gestern zu Wort meldeten und ihm den Rücken stärkten, müssten im Ubrigen wissen, dass der Weg einer Schlichtung in diesem speziellen Fall nicht möglich ist, da zwischen Gewerkschaften . und Tarifgemeinschaft deutscher Länder kein gesondertes Schlichtungsabkommen besteht. Damit bleibt nur eine Schlussfolgerung: Die Länderseite, nämlich sowohl Möllring aIs auch Stegner, nutzen den Tarifkonflikt für Wahlkampfzwecke. Taktische Spielchen sind angesagt, statt nach vernönftigen Lösungen zu suchen - ungeachtet der Tatsache, dass jeder weitere Streiktag die Stimmung noch mehr aufheizt und eine tragfähige Lösung in immer weitere Ferne rückt.

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Katasteramt

Meldorf (gro) Bereits seit vorigen Donnerstag beteiligen sich rund 30 Prozent der 46-köpfken Belegschaft im Meldorfer Katasteramt am Streik im öffentlichen Dienst. Gestern wurde das für die Bevölkerung erstmals sichtbar. Mit Transparent und Trillerpfeifen bewaffnet zog die Gruppe vor dem Eingang des Amtes auf und sprach Kunden auf den Tarifkonflikt an, warb auch bei Kollegen, die an ihren Arbeitsplatz wollten, dafür, sich an dem Ausstand zu beteiligen. "Bis jetzt hatten wir uns nur an zentralen Kundgebungen beteiligt", berichtete Personalratsvorsitzender Egenhard Busack. Die Aktionen vor Ort richteten sich vor allem darauf, die Streikfront zu vergrößern, jedoch mit geringem Erfolg. "Ich kann gar nicht verstehen, dass nicht alle mitmachen", meinte Mario Palzer. "Es weiß doch jeder, worum es geht und dass die Lage sehr ernst ist." Solange die Länder als Arbeitgeber keine Zeichen für einen Kompromiss setzten, werde weiter gestreikt. "Wir hoffen aber, dass das schnell vorbei ist, denn wir wollen ja arbeiten", betonte Palzer. "Aber nur mit einem ordentlichen Tarifvertrag", ergänzte Busack. Gefreut haben sich die Streikenden, dass gestern ein Kollege vom Baubetrieb 3 1x11,11 Amt für ländliche Räume (seit gestern ebenfalls im Streik) vorbeikam, um die Landmesser zu unterstützen. Am kommenden Freitagmorgen soll es wieder eine Streikaktion vor dem Katasteramt geben.