Das ging ja voll daneben. Der neue Umweltminister Christian von Boetticher (CDU) wollte sich mit Deutschlands Wirtschaftsbossen und den Sozialen Demokraten einen kleinen Novemberspass machen. Aber Schuss in Ofen. Tierfreunde haben davon Wind bekommen und protestiert. Da war schon die Luft raus. Das mögen die Unternehmer nicht haben, dass alle was mitkriegen. Scheu wie Rehe und weg sind sie.
Von Frank Knittermeier
Kreis Segeberg - Das Thema hat Politiker und Tierschützer seit Wochen bewegt: Im Segeberger Forst wollte Schleswig-Holsteins Landwirtschafts- und Umweltminister Christian von Boetticher (CDU) am 17. November zur Prominentenjagd blasen. Auch Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sollte daran teilnehmen. Nach heftigen Protesten sagte die Landesregierung die Staatsjagd gestern "vorerst" ab. Militante Tierschützer hatten Störungen angekündigt.
Kaum im Amt und will schon den Dicken markieren. Reinhard Mai sang das Lied von der Jagd, auf der es mehr Jäger als Tiere traf. Sie glauben, wer nicht bereit ist zu töten, hat kein Recht zu regieren. Das ist die alte preußische Herrenmentalität. Und die war vor 90 Jahren verantwortlich für den ersten Weltkrieg. Mir sind friedliebende Poloitiker lieber. Aber auch andere melden sich zu Wort. Statt zur Waffe zu greifen.
Haben wir schon irgendetwas entdeckt, das unter dem neuen Peter- Harry und seinem SPD- Anhängsel geschehen ist, womöglich etwas sinnvolles. Vielleicht eine Maßnahme, die Armen Menschen etwas Erleichterung schafft? Stattdessen holt der Ministerpräsident seine Flinte aus dem Scchrank und lädt ein. Das ist ja zum Schießen. Und ich bin überzeugt, dass er niemals vorbeizielen wird. Erst recht nicht die Wirtschaftsbosse.
Etwa 200 Politiker und Wirtschaftsbosse sollten im Segeberger Forst gemeinsam zum Halali auf einem 3,5 Hektar großen Waldstück in der Nähe des Forsthauses Segeberg blasen. Die Kosten hatte das Ministerium auf etwa 5000 Euro angesetzt. Aber schon die Ankündigung dieses Vorhabens löste eine Protestwelle aus, mit dem der Minister in diesem Ausmaß nicht gerechnet hatte. Die Grünen reagierten mit Kopfschütteln, die FDP mit einer Kleinen Anfrage: Sie bezweifelte die Sinnhaftigkeit des Vorhabens und wollte schlicht wissen, welche Vorteile eine Staatsjagd dem Land bringe. Die SPD monierte, eine solche in Szene gesetzte Jagd passe nicht in die heutige Zeit, "in der die Menschen von der Politik Lösungen für Probleme wie Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung erwarten". Im Kabinett, wo Minister von Boetticher sein Jagdvorhaben vorstellte, hatte sich allerdings kein sozialdemokratischer Protest geregt . . .
Auch die sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik verlangte einen Stopp der gemeinschaftlichen Pirsch: "Alle schleswig-holsteinischen Kommunen stehen in schwierigen Haushaltsberatungen und wissen kaum noch, wie die kommunale Infrastruktur erhalten werden kann, da bläst die Landesregierung zur Jagd", heißt es in einer Presseerklärung. Polizeibeamte hatten sich schon auf einen Einsatz vorbereitet
Die Polizeiinspektion indessen bereitete sich bis gestern intensiv darauf vor, Politiker und Prominente angesichts der zu erwartenden Proteste zu schützen.
Das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium wiegelte ab. Seit Jahrzehnten werde das Wild in diesem Gebiet auf diese Weise bejagd. Es ist allerdings der Unterschied, der die Gegner auf die Palme bringt: Bisher war die Forstverwaltung dafür zuständig, den Bestand der Tiere zu regulieren - jetzt sollten Prominente zu den Gewehren greifen. "Eingeladen waren ausschließlich Personen, die jagen dürfen und teilweise anderenorts sogar Revierbesitzer sind", so Christian Seyfert, Sprecher des Kieler Landwirtschafts- und Umweltministeriums. Das erlegte Wild sollte zugunsten der Landeskasse verkauft werden. Das Ministerium kann die Aufregung nicht verstehen
Im Ministerium kann die Aufregung auch nach der Absage nicht so recht nachvollzogen werden. "Seit den 50er Jahren wird alljährlich im Segeberger Forst gejagd", sagt Christian Seyfert. "Die Gemeinschaftsjagd mit rund 200 Teilnehmern ist seit 1995 üblich und war auch unter den Grünen Umweltministern in Schleswig-Holstein nie ein Thema." Es sei bedauerlich, daß durch eine "unsachliche und rein auf Emotionen zielende Berichterstattung" eine sowohl gesetzlich geforderte als auch gesellschaftlich anerkannte Form der Jagd derzeit nicht möglich sei.
Die Tierschützer sind jetzt sauer, weil man sie neben die Militanten gestellt hat. Das kostet Spendengelder, die jetzt ausbleiben. Dabei wurde nicht eine einzige Jagdkanzel beschädigt, kein Hochsitz ging in flammen auf und die Segeberger kirche wurde auch nicht mit militanten Parolen wie Jäger = Mörder besprüht.
Unterstützt wird das Kieler Ministerium von der Arbeitsgemeinschaft Naturnahe Jagd Schleswig-Holstein. Deren stellvertretender Vorsitzender Helmut Neu aus Stockelsdorf verteidigt die Jagd, weil dadurch Störungen im Lebensraum Wald reduziert würden und sich die Effektivität der erforderlichen Bejagung von Reh-, Hirsch und Wildschwein deutlich erhöhe. "Diese Art der Jagd entspricht den Erkenntnissen eines zeitgemäßen Wildtiermanagements."
Staatsjagden - also Jagden, zu denen die jeweilige Regierung einlädt - sind selten geworden. Bis zur Revolution 1848 war die Jagd in Deutschland ausschließlich dem Adel vorbehalten. Sichtbares Zeichen: die zahlreichen Jagdschlösser. Als das Adels-Privileg fiel, schlüpften Politiker und betuchte Großbürger in diese Rolle. Vor allem in Bayern spielt die Staatsjagd heute noch eine bedeutende Rolle. In der DDR wurde sie auch gepflegt.
1848 forderten die Bauern freies Jagdrecht, aber nur für das, was sie wirklich zum Leben brauchten. Was sie heute als Erkenntnisse eines zeitgemäßen Wildtiermanagements bezeichnen ist Ausrottung ganzer Tierarten zum Zwecke der Belustigung, wie damals nach der Entdeckung Amerikas. Damals wurden uch keine Menschen verschont.
erschienen am 10. November 2005