von AntifaschistIn - 13.09.2005 19:04
Am 10. September veranstalteten ca. 40 Neonazis von NPD und sog. Freien
Kameradschaften eine Kundgebung in Heide / Schleswig-Holstein.
Ursprünglich hatte Inge Nottelmann aus Henstedt-Ulzburg eine Kundgebung auf dem
Böttcher-Rondell am Marktplatz anmelden wollen. Mit dem Hinweis auf die dort
bereits genehmigten Wahlkampfstände boten die Behörden aber stattdessen einen
Parkplatz auf dem Wulf-Isebrand-Platz an, was sie akzeptierte.
Landrat und Bürgermeister versuchten nicht, politisch oder juristisch gegen die laut Presse kurzfristig angemeldete Versammlung vorzugehen. Wie beim Naziaufmarsch am 1. Mai wurde ein Verbot nicht einmal ernsthaft geprüft. Und wieder wurde versucht, der Öffentlichkeit das Vorhaben der Nazis zu verschweigen, was aber wiederum nicht gelang.
Die Nazis sammelten sich ab etwa 10.30 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof. Gegen 11.00 Uhr wurden sie von Team Green durch die Unterführung zum Wulf- Isebrand-Platz geleitet.
Der mit Gittern abgesperrte Parkplatz, neben dem der Autoverkehr noch weiter rollte, erschien aber aufgrund der Lage vollkommen ungeeignet für eine Kundgebung. Anfangs konnten noch einigermassen ungestört Reden gehalten werden. Nach kurzer Zeit wurde die Zahl der GegendemonstrantInnen jedoch immer grösser, so dass die Nazis mit Sprechchören und Trillerpfeifen übertönt werden konnten. Einige vorbeifahrende AutofahrerInnen bekundeten ausserdem ihr Missfallen mit Hilfe der Hupe.
Ca. 10 Nazis traten als Redner auf, darunter Tobias Thiessen aus Henstedt- Ulzburg vom Aktionsbüro Nord, Jens Lütke aus Kiel (NPD-Kandidat auf Platz 2 für die Bundestagswahl), Jörn Lemke aus Lübeck (NPD-Kreisvorsitzender Lübeck/ Ostholstein) und Martin Engelbrecht aus Neumünster (von den sog. Freien Kameradschaften).
Jörn Lemke und Martin Engelbrecht waren im Dezember des letzten Jahres an dem gewalttätigen überfall von NPD-Mitgliedern auf AntifaschistInnen in Steinburg beteiligt. Gegen Engelbrecht wird wegen Körperverletzung ermittelt.
Zwei Nazis versuchten ausserdem in der Fussgängerzone NPD-Flugblätter und ihre Schulhof-CD zu verteilen, wobei sie jedoch nur wenig Erfolg hatten.
Die Veranstaltung sollte laut Anmeldung ursprünglich bis 16 Uhr dauern, wurde jedoch etwa um 12.40 Uhr schon beendet. Ob die Verkürzung der Kundgebung das Verdienst der AntifaschistInnen ist, blieb allerdings offen.
Die Nazis wurden nach der Auflösung von Team Green zum nahen Bahnhof zurückgeleitet, wobei ca. 15 Heider Nazis sich an der Unterführung verabschiedeten und Richtung Wasserturm verschwanden.
Der Polizeisprecher Günter Santjer zeigte sich erfreut darüber, "dass friedlich gegen die Rechten demonstriert wurde, d.h. es ging keinerlei Gewalt von den Gegendemonstranten aus." Die Polizei hat angegeben, dass 174 Beamtinnen und Beamte vor Ort -jedoch nicht alle im Einsatz- waren.
Die Polizei schien bemüht deeskalierend zu wirken. Als einige AntifaschistInnen den Heider Nazis nach der Auflösung folgen wollten, verschärften zwei Bullen jedoch die Situation: Sie nahmen ihren Hunden die Maulkörbe ab und bedrohten einige AntifaschistInnen. Einer der Hunde schnappte nach einem vorbeiradelnden Unbeteiligten.
Lediglich ein Nazi wurde zur Personalienfeststellung aus dem Kundgebungskäfig geschleppt, nachdem er die Trillerpfeife eines Antifaschisten, die ihm vor die Füße gefallen war, zertreten hatte. Kommentar der GegendemonstrantInnen: „Einer geht noch - einer geht noch raus!”
Nachfolgend einige Fotos von Nazis, die am 10. September an der Kundgebung teilnahmen. Weitere Informationen zu diesen Personen sind sehr erwünscht. Auch Ergänzungen oder ggf. Korrekturen des Berichts helfen natürlich weiter.
Von: Wolfram Siede "wolframsiede@gmx.de" An: sozialforum-hamburg@listi.jpberlin.de Betreff: [Sozialforum Hamburg] [AntifaInfo] Nachbereitung Naziaufmarsch Datum: Mon, 01 Aug 2005 16:55:48 +0200
LIEBE fREUNDINNEN + fREUNDE im Folgenden einge, für Hamburg relevante Pressestimmen zum Naziaufmarsch und unseren Protesten am vergagenen Samstag. Es fällt auf, dass die Nach- wie Vorberichterstattung in der Tagespresse deutliche hinter dem Anlaß - auch im Vergleich zu Eidelstedt - bleibt. An uns lag das nicht, die Pressemitteilung des Bündnis wurde breit gestreut (weiteres siehe Bericht). Sonst findet ihr einen kleinen Nachbericht, der gerne weiterverwendet werden könnt.
Die Demoleitung hat sich auf ein Nachbereitungstreffen verständigt. Der Auswertung soll eine Beratung folgen. Thema: "Naziladen in der Talstrasse". Das Fanprojekt laden wir hierzu ganz ausdrücklich ein!!! Auch hierzu findet ihr im Anhang einen kleinen Bericht, der zu eurer Information dient und von euch gerne verwendet werden kann, z.B. zum Zwecke der...
*Einladung für das Bündnistreffen Mittwoch, 10. August, 19.00-Uhr VVN-Büro, Hein-Hoyer Straße 41 *
Anfang Juli informierten AntifaschistInnen in der Nachbarschaft über
einen Laden, der auf St. Pauli Naziklamotten verkauft und dabei sit als
rechter Szenetreff ausgebaut zu werden. In dem zweiseitige Flugblatt,
welches auf deutsch und türkisch verfasst ist, heißt es: "...Anfang Mai
2005 eröffnete in der Talstraße 17, direkt neben der Heilsarmee, der
Klamottenladen ,elite-style'.Hier werden neben Produkten rund um die
nordische Mythologie die Marken ,Thor Steinar', ,Walhall', ,Pro
Violence' und ,Sportfrei' verkauft. Alle vier Marken werden von Neonazis
für Neonazis produziert...". Zudem berichtet die Anwohnerinformation,
die mit einer Auflage von 1500 Exemplaren im Stadteil verteilt und in
die Briefkästen gesteckt wurde über die Einbindung der Betreiber in die
Naziszene. Schließlich spricht "ihr Verhalten PassantInnen gegenüber
deutliche Worte. Seit der Eröffnung kam es wiederholt zu übergriffen und
Androhung von Gewalt gegenüber Menschen, die dem linken Spektrum
zuzuordnen seien."
Johannes Kahrs, Spitzenkanidat im Bezirk und Mitglied im Seeheimer
Kreis, hat zum erstaunlicher Weise das Thema aufgegriffen. In einer - in
Tonlage und Stil der Antifa nahekommen - Presserklärung schlägt Kahrst
eine breite Postkartenaktion ("St. Pauli wehrt sich!") vor, die
Innensenator Udo Nagel (parteilos) und Justizsenator Roger Kusch (CDU)
auffordert "etwas gegen den Klamottenladen unternehmen." Im
Antifaschistischen Bündnis Hamburg, an dem auch die VVN mitarbeitet,
gibt es ähnliche überlegungen. Zusammen mit dem Fanprojekt des FC-St.
Pauli machen wir uns für eine Kampagne stark, die praktisch dann auch
umgesetzt wird.
Das Anwohnerflugblatt kann über www.antifainfo.de>Aktuelles> ältere
Meldungen runtergeladen werden.
- Wolfram Siede (antifa September/Oktober - Hamburgbeilage)
"Trauermarsch" ein Flopp - Antifaschisten verstärken Zusammenarbeit
Zur Vertreibung der Obdachlosen- und Drogenszene wird am Hamburger
Hauptbahnhof klassische Musik abgespielt. Klasse Idee, dachte sich
Christian Wulf, Führungskader der norddeutschen Naziszene, und
beschallte den "Trauermarsch" anlässlich des 62. Jahrestages alliierter
Bombenangriffe auf Hamburg mit Klaviergedudel. Als dann auch noch
orkanartige Schauer auf die ernst dreinblickenden 140 Anhänger
niederprasselten, bevor es nach eineinhalb Stunden Verspätung los ging,
lag die Stimmung der Mitglieder von NPD und Anhänger des Norddeutschen
Aktionsbündnis nahe Null. Schließlich klappte noch nicht mal das mit der
musikalischen Abschreckung und die Antifa kam trotzdem!
Knapp 1000 Teilnehmer demonstrierten nach der Zählung der Veranstalter
durch die Hamburger Innenstadt dem Versammlungsort der extremen Rechten
entgegen. Zeitgleich zog die WASG zusammen mit 150 Anwohnern durch Hamm,
einem der von den Nazis heimgesuchten Stadtteile.
Auf der Abschlusskundgebung der Bündnisdemonstration an der Wartenau
wies Andrea Krieger für die Stadteilinitiative Winterhunde auf die
Bedeutung kontinuierlicher antifaschistischer Arbeit in den Stadtteilen
hin, "gerade weil die Polizei an diesem Tag wieder demonstriert, wie
Bürgerinnenrechte eingeschränkt, und Zivilcourage behindert werden". Der
Redebeitrag von Avanti - Projekt unabhängige Linke forderte das
unabhängige Antifa-Spektrum auf, über das Reagieren auf Naziaufmärsche
hinauszukommen und "die eigene Arbeit längerfristiger auszurichten". Und
schließlich mahnte der Spitzenkandidat der SPD in Eimsbüttel, Niels
Annen, das Erstarken der Rechten, "ob Stiefelnazi oder in Schlips und
Kragen", nicht aus den Augen zu verlieren, und vertrat den Wunsch nach
besserer Kooperation glaubhaft. Wolfram Siede sprach für die VVN und
machte auf den Widerspruch aufmerksam, dass antifaschistisches
Engagement wie auch die Organisationen und Verbände der Verfolgten des
Naziregimes weiterhin als verfassungsfeindlich diffamiert werden,
während sie zugleich als wichtiges, ja organisatorisches Rückgrat des
zivilgesellschaftlichen Widerstandes von Politikern gelobt und gerufen
werden.
Im Vergleich zur Berichterstattung vor vier Wochen in Eidelstedt, fiel
die Presseberichterstattung am 30. Juli dürftig aus. Meines Erachtens
zeigt sich daran, dass die Innenbehörde die Vorberichterstattung noch
mehr auf polizeiliche Opportunitätsgesichtspunkte ausgerichtet hat und
dass die gesamte Presse - mit Ausnahme der taz-hamburg - dabei mitzieht.
Zum anderen ist festzustellen, dass der Versuch, über eine größere
politische Bandbreite und die Beteiligung von Prominenten zusätzliches
Gehör zu verschaffen, nicht aufging. Weder der DGB noch Gliederungen der
SPD und Niels Annen haben ihre "Unterstützung" über die Presse
verbreitet. Ergebnis: Die Gewerkschaften spielten diesmal nur noch die
Rolle einer Fußnote. Anders verhielt es sich zuletzt vor vier Jahren,
als die Nazis einen Aufmarsch vor der Roten Flora ankündigten. 5000
Menschen protestierten an der Sternschanze und später auf einer
Spontankundgebung in Hamm gegen die Provokation. Damals schalteten "DGB
und Einzelgewerkschaften" eine eigene Anzeige, man hatte mit dem
Elmshorner IG-Metall-Bevollmächtigten Uwe Zabel einen thematisch
versierten und der gewerkschaftlichen Repräsentanz angemessenen Redner,
und es beteiligte sich sogar ein kleiner, gewerkschaftlicher Block.
Nach Abschluss der drei Demonstrationen, zu dessen Durchsetzung die
Polizei 1500 Beamte und schweres Gerät einsetzt hatte, kam es am
Hamburger Hauptbahnhof noch zu Auseinandersetzungen und Festnahmen.
Durch den Bahnhof hallte es ,,Nazis raus", und vereinzelt kam es zu
Handgreiflichkeiten. Dabei wurde auch der 25-jährige Anmelder des
rechten Aufzuges wegen Sachbeschädigung vorläufig festgenommen. In Kiel
hatten Anhänger der rechten Szene die Scheiben der Alten Meierei in den
frühen Morgenstunden eingeschlagen und an der Fassade Feuer gelegt.
Die Alte Meierei.