AWO, DRK und Diakonie empfehlen der bundesregierung schärfere Gesetze.
Bei den anderen Streichen, um selbst noch mehr einzusacken, so unverkennbar die Stoßrichtung eines Schreibens der Spitzen von ARBEITER WOHLFAHRT (AWO), DIAKONIE (DW) und DEUTSCHEM ROTEN KREUZ (DRK), mit dem sie erheblich weitergehende Kürzungen beim AIg II fordern, als das selbst die Koalition von Sozial- und Christdemokraten vorschlägt. Damit folgen sie genau dem von der Bundespolitik vorgezeichneten Weg, mit dem sich der Bund Massenarbeitslosigkeit vom Hals schaffen will:
Das Problem soll auf die kommunale Ebene abgeschoben werden, auf dass sich dort die Akteure gegenseitig "die Köpfe einschlagen". Notlagenprofiteure bei der Arbeit in einer "persönlichen Erklärung" vom 15. Mai 06 an die Bundestagsfraktionen nehmen AWO, DW und DRK zusammen mit Spitzenvertretern von Städten und Landkreisen das aktuelle Verfahren zur Hartz IV- Optimierung zum Anlass, die Einschränkung des Alg II- Bezugs "auf die wirklich Bedürftigen" zu fordern. Nach ihrer Ansicht sollen arbeitende Arme weitestgehend von der A1g II- Sozial- Hilfe ausgeschlossen warden. Dieser Vorstoß macht auch innerhalb der Verbände Sinn. Denn wenn die dort heute oft schon zu üblen Bedingungen Beschtiftigten ihre Einkommen unter der Sozialhilfeschwelle nicht mehr mit Alg II aufstocken können, werden sie den Verbänden und deren Diktat zu Lohnhöhe und Arbeitszeit noch weiter ausgeliefert sein. Es bleibt zu hoffen, dass Erwerbslose, Beschäftigte und deren Gewerkschaften (wovon träumst Du denn? d. säzza) diesen Verbänden die passenden Antworten geben werden.
Weitere jährliche Einsparungen von mehr a1s einer Milliarde Euro will das SPD- geführte Sozialministerium bei Arbeitslosengeld II- Beziehenden durchsetzen. So steht es in dem Gesetzentwurf, der inzwischen under dem Titel "Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende" im Parlament behandelt wird und zum 1. August 2006 in Kraft treten soll. "Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs" und "Verbesserung der Venvaltungspraxis" sind offiziell die Themen des Gesetzespakets. Eine detaillierte Besprechung der änderungen folgt im kommenden Heft, wenn diese feststehen. Hier das wichtigste nach heutigem Stand in aller Kürze. Ausführlich besprechen ANNE ALLEX und GöTZ RENGER
die Verschärfungen bei den sog. eheähnlichen Gemeinschaften im nachfolgenden Beitrag (auf Seite 4).
[Pullout:
]Künftig soll der Alg II- Berechtigte ärmer sein als heute.
Als geschätztes Vermögen sollen nurmehr 150 € je Lebensjahr bzw. 3.100 €
zählen Jetzt: 200 €/Lj. bzw. 4.100 €). Ein Kindersparbuch soll nurmehr bis
3.100 € geschützt sein (heute 4.100 €). Das zulässig Altersschonvermögen
wird auf 250 €/Lebensjahr angehoben (§ 12). Für 'weniger Komfort' im Alg II-
Bezug sollen Zuschläge bei den Sanktionen sorgen. Wer binnen Jahresfrist erneut
einen Fehler macht, bekommt in Zukunft eine verdoppelte Strafe, sprich Kürzung
um 60 % statt um 30 % bzw. um 20 % statt um 10 %. Damit es zukünftig möglichst
viele Strafanlässe gibt, soll die Pflicht der ämter zurückgenommen werden.
Leistungsbeziehende aufzuklären, welches Verhalten welche Sanktion auslöst
(§ 31). Klargestellt wird, dass Strom und Warmwasserbereitung aus der
Regelleistung zu zahlen sind (§ 20,1 SGB II).
Die übernahme der Kosten der Unterkunft wird nach Umzug auf den bisherigen Betrag begrenzt, wenn die neue Wohnung zwar "angemessen", aber teurer ist als die bisherige. Die volle "angemessene" Miete gibt es nur bei "erforderlichem Umzug" (§ 22,1). Die Entmündigung von Leistungsbeziehenden wird vorangetrieben, da ämter die Rechtsmittel zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen an Stelle der Hilfeberechtigten gleich selbst einlegen dürfen (§ 5,3). Im übrigen soll der Rückgriff auf unterhaltspflichtige Angehörige effektiver gestalten werden. Jedoch gilt auch zukünftig, dass Eltern nicht vorrangig vor der Alg II- Behörde für erwerbsfähige Kinder über 25 Jahren oder Volljährige mit Berufsabschluss oder Schwangere oder Alleinerziehende mit Kindern unter sechs Jahren zahlen müsse; § 33,2). Auch night unterhaltspflichtige Personen sollen aus ihrem Einkommen die Kinder ihrer Partnerlnnen durchfüttern, wenn sie mit diesel in Bedarfsgemeinschaft leben (§ 9,2).
Auf dass sich die Betroffenen dieser
Schikanen nicht entziehen, müssen die ämter zukünftig AuBendienste einrichten (§ 6 Abs. 1). Anders als noch zu alter Sozialhilfezeiten heißen diese nicht mehr "Bedarfsfeststellungsdienste" sondern gleich "Außendienst zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauchs". Dem gleichen Zweck dient die gesetzliche Erlaubnis zur Beauftragung von nichtöffentlichen Stellen (d.h. Privaten) zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten (z.B. Telefonabfragen durch Call- Center) unter Nutzung des gesamten Datenbestandes: (§ 51) sowie weitere Datenabgleichsverfahren (z.B. §§ 51b, 52 und 52a).
Am Ende wurden dann die Behörden vor Ort auf die Leistungsbeziehenden losgelassen. Die kommumnalen Spitzenverbäde haben diese neue Aufgabe bereits verinnerlicht und preschen mit weiteren Verschärfungsforderungen voran. Am 6. Mai 106 forderten sie, Alg II dürfe sich nicht zu "einer Grundsicherung für immer größere Teile der erwerbsfähigen Bevölkerung entwickeln"; Harz IV sei ... unbeabsichtigt eine Art Kombi-Wohnkostenförderung für Niedrigverdiener" geworden.
Vielmehr müssten durch Nachsteuerung in Richtung auf die alte Sozialhilfe
Arbeitsanreize geschaffen werden. Was sie damit meinen? Z.B. die Abschaffung des
sog. befristeten Zuschlags nach höherem Alg I- Bezug, [Pullout:
Kundgebung
] die zeitliche Begrenzung des
Schutzes von Wohneigentum sowie maximal ein Auto als Schonvermögen einer
Bedarfsgemeinschaft - nicht etwa die Wiedereinführung von Schulbeihilfen für
Kinder, der Weihnachtsbeihilfe oder des mit dem Alg II entfallenen
Menschenwürdeprinzips. Schon gar nicht gemeint ist eine Politik, die allen
auskömmliche Einkommen garantiert statt die Finanzierung von Massenerwerbslosigkeit
in die Kommunen zu verlagern. Stattdessen machen sich die Spitzen der
Kommunalpolitik (wie auch die der eingangs genannten Wohlfahrtskonzerne) den Kampf
gegen die Armen zueigen. Eine nächste Gelegenheit, diese aus den Rathäusern zu
jagen, bieten die Kommunalwahlen, Z.B. demnächst in Niedersachsen.
* Die §§- Verweise betreffen immer das SGB II. Die Gesetzgebungsmaterialien sind zu finder under www.harald-thomee.de. Diesem Beitrag liege der Stand vom 8. Mai 2006 zugrunde.
Quelle= "Quer" Heft 2, 2006