BERLIN/PARIS (Eigener Bericht) - Auf ihre Niederlage bei der Durchsetzung der EU-Verfassung reagiert die Bundesregierung mit Härte und will den Vertragstext trotz seiner klaren Ablehnung durch die Bevölkerung Frankreichs installieren. "Der Ratifikationsprozess in den Mitgliedstaaten muss weitergehen", verlangt der deutsche Kanzler, Berliner Politikberater fordern eine Wiederholung des französischen Referendums. Auf der Suche nach einem Ausweg ziehen prominente Außenpolitiker in Betracht, die Widerstände gegen die Verfassung mittels enger militärischer Kooperation zu überwinden: Die EU-Armee könne "Katalysator einer gemeinsamen Außenpolitik und Gegenstück zu einer gemeinsamen Währung sein", heißt es. Mehrere europäische Staaten erhalten durch das "Non" neuen Handlungsspielraum. "Die 'Festung Europa' liegt am Boden", erklärt die französische Germanistin Yvonne Bollmann im Gespräch mit dieser Redaktion: "Frankreich hat sich seine Handlungsfreiheit zurückerobert."
Liener Gerd.
Nachrichten
Nürnberg - Die Bundesagentur für Arbeit will das soziale Umfeld von arbeitswilligen Hartz-IV-Betroffenen genau erkunden. Empfänger von Arbeitslosengeld II, die einen neuen Job wollen, müssen sich künftig einer umfangreichen Befragung unterziehen. Das geht aus einem Konzept der Bundesagentur hervor, das der "Bild am Sonntag" vorliegt. Datenschützer und Politiker reagierten empört, das Bundeswirtschaftsministerium verteidigte die intensive Befragung von Langzeitarbeitslosen und warnte vor einer "Skandalisierung".
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Dem Papier zufolge sollen Fallmanager in den Arbeitsagenturen "alle Daten des sozialen Geflechts" von Arbeitslosen erfragen. Dazu werden Familienkonstellation, Freundschaften, Nachbarschaftskontakte, Vereinszugehörigkeit, Wohnsituation gezählt. Eine Bewertung der Beziehungsstärke zu den jeweiligen Personen soll ausgearbeitet werden. Erhoben werden sollen auch Daten wie gesundheitlicher Zustand, regelmäßige Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte. Auch Belastbarkeit und Frustrationstoleranz der Betroffenen solle erfragt werden.
"Datenschutzrechtlich nachbessern"
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz (BfD), Peter Schaar, wandte sich dem Zeitungsbericht zufolge an die Bundesagentur für Arbeit und forderte Aufklärung. BfD-Pressesprecher Peter Büttgen sagte dem Blatt: "Wir sehen das kritisch. Das vorliegende Konzept muss datenschutzrechtlich nachgebessert werden. Wir werden den Vorgang weiter beobachten."
"Krankenhausaufenthalte müssen tabu sein"
Die Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), reagierte empört. Der "BamS" sagte sie: "Die Befragung der Arbeitslosen in diesem Umfang ist datenschutzrechtlich kaum vertretbar. Natürlich sind bestimmte Auskünfte für den Fallmanager wichtig, damit er sich ein Bild über den Arbeitslosen machen kann. Es hört aber auf, wenn dabei auch Daten über Freundschaften und Krankenhausaufenthalte abgefragt werden. Ich befürchte, dass sich diese erhobenen Daten bei der Beschaffung einer neuen Stelle sogar nachteilig für die Arbeitslosen auswirken können."
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, sagte: "Unglaublich! Die Arbeitsagenturen sollten sich endlich um die Vermittlung der Arbeitslosen kümmern, statt sie zum Intim-Verhör zu bestellen."
Ministerium warnt vor "Skandalisierung"
Das Bundeswirtschaftsministerium wandte sich gegen eine "Skandalisierung". "Es geht darum, individuell herauszufinden, was die Gründe für die lang andauernde Arbeitslosigkeit sind", sagte ein Sprecher. "Dies ist wichtig, um im Einzelfall die richtigen Maßnahmen und Betreuungskonzepte für die Langzeitarbeitslosen zu entwickeln." Dies entspreche dem Reformkonzept "Fördern und Fordern". (joe/sa/AFP/dpa