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DIE ZEIT

12/2005 

Hans Eichels ominöse Milliardenquelle

Der Bundesfinanzminister lässt sich seine Haushaltslöcher jetzt auch von der Bundesagentur für Arbeit stopfen

Von Wilfried Herz

Mitte Februar war, von der öffentlichkeit unbemerkt, die Premiere. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen strebte in Deutschland gerade neuen Rekordhöhen zu, da überwies die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg erstmals 1,45 MilliardenEuro an die Bundeskasse. Drei weitere Geldsendungen nach Berlin, jeweils zur Mitte das Quartals, werden in diesem Jahr noch folgen. Insgesamt 6,72 Milliarden Euro wird die Agentur nach der vorläufigen Kalkulation 2005 nach Berlin schicken und so den klammen Bundeshaushalt aufpäppeln.

Die seit Jahresbeginn vom Gesetzgeber vorgeschriebenen milliardenschweren Zahlungen aus Nürnberg sind mehr als dubios. Denn warum sollen ausgerechnet die Zwangsbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern dafür herhalten, Löcher in Hans Eichels Budget zustopfen? Zudem wird mit dem abstrusen Geldtransfer das von Politikern aller Couleur verkündete Ziel konterkariert, die Lohnnebenkosten zu senken. Wenn der Bund auf das Geld der Bundesagentur verzichten würde, könnten die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung unmittelbar um 0,9 Prozentpunkte - von 6,5 auf 5,6 Prozent - gesenkt werden, ohne dass deshalb Leistungen gekürzt werden müssten. Gerade angesichts der Schwierigkeiten von Rot-Grün, die Senkung der Krankenkassenbeiträge durchzusetzen, wäredas ein echter Erfolg.

Die sonderbare Subventionierung des Bundes auf Kosten der Beitragszahler wurde mit Hartz IV eingeführt. Das Schlüsselwort dafür heißt «Aussteuerungsbetrag». Laut Gesetz muss die Bundesagentur für jeden Erwerbslosen, der länger als zwölf Monate ohne Jobist und deshalb zum Arbeitslosengeld II wechselt, einen so genannten Aussteuerungsbetrag an den Bund zahlen. Die Erklärung: DasArbeitslosengeld II für Langzeitarbeitslose wird nicht aus der Arbeitslosenversicherung, sondern - wie früher auch die Arbeitslosenhilfe - vom Bund gezahlt. Die Agentur übernimmt dabei nur die praktische Abwicklung.

Bei diesem ominösen Aussteuerungsbetrag geht es auch im Einzelfall nicht um Peanuts. Die Höhe ist in Paragraf 46 des ZweitenSozialgesetzbuchs genau geregelt: Es ist das «Zwölffache der durchschnittlichen monatlichen Aufwendungen für Arbeitslosengeld II» plus Sozialgeld und Beiträge zur Sozialversicherung. Für dieses Jahr wurde ein Betrag von exakt 9857 Euro pro Kopf errechnet.

Die Argumentation für den Aussteuerungsbetrag ist geradezu abenteuerlich. Denn das Interesse des Bundes an zusätzlichen Einnahmen wird nur beiläufig in der Gesetzesbegründung erwähnt. Angeblich ging es dem Gesetzgeber vor allem um eines: «einen Anreiz für die Bundesagentur zu schaffen», Erwerbslose noch während der Laufzeit der regulären Unterstützung aus der Arbeitslosenversicherung wieder dauerhaft in Lohn und Brot zu bringen. Als ob man durch eine solche «willkürliche Strafsteuer» (Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt)die Behörde dazu bringen könnte, schneller ihre Pflicht zu tun und Arbeitsplätze zu vermitteln. Mit gleichem Recht könnte der Gesetzgeber den Finanzämtern und damit den Steuerzahlern eine Strafe für den Fall aufbrummen, dass die Beamten dieSteuerbescheide nicht schnell genug bearbeiten.

Merkwürdig wie die Sache selbst ist aber auch, dass der Aussteuerungsbetrag das gesamte langwierige Verfahren im Parlament überstanden hat. Denn schon im ersten Regierungsentwurf zu Hartz IV war die Strafzahlung enthalten. Die CDU/CSU-Opposition hatte zwar schon damals dafür plädiert, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Doch in ihren Anträgen hatte sie diverse Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik anvisiert, von dem Aussteuerungsbetrag war nie die Rede. Selbst im parlamentarischen Vermittlungsverfahren, in dem die Union änderungen sogar in dem einschlägigen Paragrafen durchpaukte, blieb die entscheidende Passage unangetastet. Insofern ist es überraschend, wenn die Union jetzt in ihrem «Pakt für Deutschland» den Aussteuerungsbetrag als übelausmacht und ihr Fraktionsvize Ronald Pofalla erklärt: «So war das nicht vorgesehen. Das ist falsch und muss korrigiert werden.»

Arbeitgeber und Gewerkschaften hatten dagegen schon sehr früh die Neuregelung abgelehnt. Damit werde die Arbeitslosenversicherung «auch für konjunkturell und strukturell bedingte Langzeitarbeitslosigkeit in Haftung genommen, obwohl sie darauf nur einensehr begrenzten Einfluss hat», kritisierte Wilhelm Adamy vom Deutschen Gewerkschaftsbund. «Mit diesem Griff in die Taschen der Beitragszahler» werde «ein neuer Verschiebebahnhof zur Entlastung des Bundes aufgebaut».

Arbeitgeberpräsident Hundt spricht von einem Missbrauch von Beitragsmitteln. Die Maßnahme sei «beschäftigungsschädlich» und dazu «auch verfassungsrechtlich höchst fragwürdig». Er verlangt, den Aussteuerungsbetrag «schnellstmöglich abzuschaffen».

Für den Arbeitsmarkt wäre das hilfreich. Nur der Finanzminister hätte ein neues Problem.