Von: joerg1500@yahoo.de; Betreff: [montagsbuendnis]
"Gerhard Schröder geht
- die Montagsdemo bleibt"
Zum Teil mitten im Wolkenbruch blieb für die meisten
Montagsdemonstrationen sonnenklar: "Nicht wir stehen im Regen, sondern
Schröder!" Und natürlich war die offene politische Krise in Berlin an
diesem Montag wieder eines der Themen. "Wir machen weiter gegen Schröder
bis zum Schluss", so die Montagsdemonstranten in Gelsenkirchen. Doch
jede Regierung, die den Sozialkahlschlag fortsetzt, muss mit uns
rechnen. Festgestellt wurde neuerdings eine teilweise wieder
umfassendere und sachlichere Berichterstattung in der Presse, so in
Bottrop und Berlin.
Ein weiterer Schwerpunkt sind die Berichte der
von den Demonstrationen entsandten Delegierten über die 3. bundesweite
Delegiertenkonferenz der Montagsdemonstrationen am 2.7. in Hannover. In
Augsburg kam dabei so richtig ein "Gefühl einer bundesweiten Bewegung"
auf. Und gerade auch bei den kleineren Demonstrationen (wie in Balingen
mit 15 Teilnehmern) wird die "gute Ausgangsstellung für weitere
Proteste" hervorgehoben und wächst die Zuversicht, weiter durchzuhalten
und wieder zu wachsen.
Aus diesem Grund misslang auch in Magdeburg
der Versuch einiger weniger Teilnehmer, die Magdeburger
Montagsdemonstration einzustellen. Nur 7 der 80 Teilnehmer teilten ihre
Auffassung. In einer offenen Abstimmung wurde dort wie in Zwickau,
Dessau und anderen Städten auch bekräftigt, am 5. November zur
bundesweiten Demonstration nach Berlin zu fahren.
Mit viel Applaus
wurde die Aufforderung der Konferenz bedacht, den Kampf um die Einheit
der Bewegung entschieden zu führen - geradeso wie es auch in der von 800
bis 1.000 Teilnehmern aus 25 Städten der neuen Bundesländer bei einer
gemeinsamen Demonstration am Samstag in Jüterbog einstimmig
verabschiedeten Abschlusserklärung heißt: "Unsere Stärke ist der
Zusammenhalt, wer will uns aufhalten wenn wir uns einig sind? Im
Gegenwind werden wir weiter wachsen und stark. (...) Wir Brandenburger
sind ein Teil dieser bundesweiten Bewegung. Grüßen wir also von Jüterbog
aus die teilnehmenden Städte in Hannover."
Die Berichte von der
Delegiertenkonferenz am Samstag waren auch damit verbunden, die eigenen
Aktivitäten zu beraten. So haben verschiedene Orte bereits beschlossen,
am 8. August ihr einjähriges Jubiläum zum Beispiel als großes
Kultur-Event auf der Straße zu feiern - und dazu alle Kräfte einzuladen,
die bisher, wenn auch nur vorübergehend, an den Montagsdemonstrationen
teilgenommen haben, sowie Initiativen, Verbände, Vereine und viele neue
Betroffene und Freunde, und
natürlich die Medien.
Landauf
landab wurde auch Bilanz gezogen über ein halbes Jahr Hartz IV. Aktuell
natürlich verbunden mit der Gegenüberstellung der Schmiergeldaffäre bei
VW mit Peter Hartz, dessen "Versprechen" zur Halbierung der
Arbeitslosenzahlen in Wahrheit zur Verarmung von Millionen Menschen
führt und schon geführt hat. Unter anderem in Essen wurde er deshalb als
"Sozialräuber der Woche" geehrt.
In Hamburg stellten die
Montagsdemonstranten dem legendären Spruch von Helmut Schmidt "Die
Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die
Arbeitsplätze von übermorgen" eine andere der Wahrheit entsprechende
Gleichung gegenüber: "Die Gewinne von heute sind die vernichteten
Arbeitsplätze von morgen und die Superprofite von übermorgen." Und in
Karlsruhe wurde über die 18. DGB-Frauenkonferenz von Baden-Württemberg
vom 25.6. berichtet, die einstimmig den DGB-Vorstand aufforderte, "die
Bundesregierung aufzufordern, die Regelungen des Sozialgesetzbuches II,
Hartz IV, zurückzunehmen!"
Wie jeden Montag gab es an den offenen
Mikrofonen erschütternde Berichte von Betroffenen: So in Essen darüber,
dass "2.000 Senioren in Altenheimen das 'Taschengeld' von 133 Euro auf
90 Euro zusammengestrichen werden soll". Und in Duisburg will die
Stadtverwaltung einer armen Rentnerin die gesamten Kosten für die
Beerdigungen für ihren verstorbenen Bruder in Höhe von 1934,95 Euro
aufs Auge drücken. Die Montagsdemonstranten werden sie morgen bei
ihrem Protest zum Bezirksamt begleiten.
In Dortmund wurde ein
offener Brief an Bundeswirtschaftsminister Clement verabschiedet. Dessen
Ministerium hat eine Untersuchung in Dortmund durchgeführt und 20 bis 30
Prozent der ALG-II-Empfänger telefonisch nicht erreicht, woraus diese
Bürokraten schlossen: Diesen Anteil könne man von den ALG-II-Beziehern
abziehen! Ebenfalls in Dortmund wurde empört von einer äußerung des
EU-Kommissars Verheugen berichtet, der es nicht schlimm findet, wenn
alte Leute an der Feinstaubbelastung sterben.
Wie auch schon bei
der Konferenz in Hannover aus verschiedenen Berichten deutlich wurde,
müssen sich die Montagsdemonstrationen offensichtlich auf mehr Schikanen
seitens der Polizei und Ordnungsämter einstellen, nachdem es der
Regierung nicht gelungen ist, die Montagsdemonstrations-Bewegung zu
demoralisieren. In Bochum wurden die Demonstranten auf ihrem Marsch zum
Polizeipräsidium erneut von der Polizei angewiesen, ausschließlich den
Gehsteig zu benutzen.
Nach den Auflagen und Androhungen gegen das
offene Mikrofon (Verbot für Versammlungen unter 50 Teilnehmer) unter
anderem in Köln, Stuttgart, Düsseldorf, München, Bochum versucht jetzt
das Polizeipräsidium Bochum der Montagsdemo in Herne (nachdem diese über
50 Mal stattgefunden hat) die Lautsprecheranlage zu verbieten. Dazu
stellen die Herner Montagsdemonstranten fest: "Dabei müsste auch der
Polizeipräsident wissen, dass in 'wesentliche Bestandteile' einer
Kundgebung nicht so eingegriffen werden darf. Ein Aufzug, der nach 'Art
bzw. Umfang' einer Lautsprecheranlage bedarf, muss diese auch nicht
beantragt werden, da sind sich alle Kommentare des Versammlungsgesetzes
einig. Wie soll eine Kundgebung mit Offenem Mikrophon denn ohne
Mikrophon durchgeführt werden? (...) Für die nächste Montagsdemo wurde
uns eine Auflage des Polizeipräsidiums angekündigt, die wir gerichtlich
angreifen werden. Alle waren sich da einig."
Und zum Schluss der
Witz des Tages: Für ihre Geburtstagsanzeige zur 44. Demo sollte die
Montagsdemonstration in Zwickau bei der "Freien Presse" statt den
üblichen Annoncenpreis von 24 Euro den Wirtschaftstarif von 177,48 Euro
berappen. Das ist fast so gut, wie wenn Noch-Kanzler Schröder verkünden
würde: "Jeder Arbeitslose erhält zukünftig 1.000 Euro - bei 800 Euro
Eigenbeteiligung, versteht sich."
Quelle:
www.rf-news.de vom 05.07.05
Novemberdemonstration
Angesichts des Rückgangs der offiziellen
Arbeitslosenzahlen um 103.000 im Juni gegenüber Mai auf immer noch rund
4,7 Millionen plustert sich Wirtschaftsminister Clement mal wieder auf.
Er besitzt die Dreistigkeit, dies als "kräftigsten Rückgang der
Arbeitslosenzahlen seit fünf Jahren" zu bezeichnen. Und das kurz nach
dem Stichtag des 30. Juni 2005, der das vollständige Scheitern von Hartz
IV markiert. Noch vor zwei Jahren hatte VW-Personalvorstand Peter Hartz,
der dem Gesetz seinen Namen gab, großspurig den Rückgang der
Massenarbeitslosigkeit auf 3 Millionen bis zu diesem Tag verkündet.
Davon will Clement heute genauso wenig wissen wie CDU-Chefin Merkel, die
von Anfang zu den Einpeitschern der Hartz-Gesetze einschließlich
weiterer Verschärfungen gehörte.
Nicht sinkende, sondern wachsende
Massenarbeitslosigkeit brachte Hartz IV. Im Vergleich mit den jeweiligen
Vorjahreszahlen steigt selbst die offizielle Statistik weiter an. Wurden
im Januar 2005 rund 439.000 Arbeitslose mehr gezählt als im Januar 2004,
waren es im Juni diesen Jahres bereits 471.000 mehr als noch ein Jahr
zuvor. Selbst Arbeitsagentur-Chef Weise muss zugeben: "Ohne die
Ausweitung der Zusatzjobs wäre die saisonbereinigte Erwerbstätigkeit
gesunken." Der aktuelle Rückgang der offiziellen Arbeitslosenzahlen gehe
lediglich auf den verstärkten Einsatz von Ein-Euro-Jobs, Mini-Jobs und
Ich-AG´s sowie die "jahreszeitlich übliche Belebung am Arbeitsmarkt"
zurück. Gebracht hat Hartz IV dagegen die Verdrängung tariflich
bezahlter Arbeitsplätze durch einen wachsenden Niedriglohnsektor. Zumal
die Ein-Euro-Jobs eben nicht "zusätzlich" geschaffen werden, wie von der
Regierung versprochen und formal im Hartz-IV-Gesetz verankert. Bis April
2005 wurden weitere 333.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze
gegenüber dem Vorjahr vernichtet und die Entlassenen finden sich nicht
selten kurz darauf in Ein-Euro-Jobs im gleichen Betrieb oder zumindest
der gleichen Branche wieder.
Die sprunghaft gewachsenen
geringfügigen Arbeitsverhältnisse werden jedoch genauso in der Statistik
aufgeführt wie die vernichteten Vollzeitarbeitsplätze. Hinter der
letztes Jahr leicht gestiegenen Erwerbstätigenzahl verbirgt sich in
Wirklichkeit eine erhebliche Zunahme der Unterbeschäftigung, die
Millionen Arbeiter und Angestellte trotz Arbeitsplatz in
Niedrigsteinkommen und Armut treibt.
Im Gegensatz zur
Schröder/Fischer-Regierung konnte die Montagsdemo-Bewegung auf ihrer
heutigen 3. bundesweiten Delegierten-Konferenz in Hannover eine sehr
selbstbewusste und erfolgreiche Bilanz ziehen. Durch keine der
zahlreichen Propaganda-, Diffamierungs- und Spaltungsmanöver der
Regierung haben sich die Montagsdemonstranten von ihrem hartnäckigen
Protest abhalten lassen. Und ihre Prognosen und Forderungen haben sich
im vollen Umfang bestätigt.
Nach ersten Berichten trafen sich
heute 140 Delegierte und 33 Gäste aus 53 Städten in Hannover, darunter
mehrheitlich Parteilose, aber auch Vertreter von PDS, DKP, WASG, MLPD,
dem Frauenverband Courage, von "Solidarität International" und dem
"Arbeiterbildungszentrum e.V.". Es gab drei Delegierte von
IG-Metall-Vertrauenskörpern. Die jüngste Delegierte war 12 Jahre alt,
die älteste 74 Jahre.
Allein 32 Wortbeiträge zum politischen
Bericht der zentralen Koordinierungsgruppe brachten eine hervorragende
Streitkultur und offene Atmosphäre zum Ausdruck. Nachdrücklich belegt
und unterstrichen wurde die finanzielle Unabhängigkeit sowie das Prinzip
des Stützens auf die Basis. In diesem Sinne wurde der Vorschlag
beschlossen, dass die Montagsdemonstrationen zukünftig regelmäßig einmal
im Monat eine Montagsspende der zentralen Koordinierung zur Verfügung
stellen. Lebhaft diskutiert wurde die Frage einer bundesweiten
Demonstration gegen Hartz IV und die Berliner Regierung im Herbst. Es
gab drei Vorschläge: Sie bereits vor der vorgezogenen Bundestagswahl
durchzuführen, am 1. Oktober oder Anfang November. Mit einer Mehrheit
von zwei Drittel der Stimmen wurde der 5. November befürwortet, wobei am
1. Oktober regionale und örtliche Aktivitäten durchgeführt werden
sollen. Sollten die Neuwahlen aus irgendeinem Grund doch nicht
durchgeführt werden, soll die bundesweite Demo bereits an diesem Tag
sein. "rote fahne news" wird in den nächsten Tagen weiter über die
Ergebnisse der Konferenz berichten.
Quelle: www.rf-news.de vom 2.7.05