Zwei (Vor-)Geschichten. Oder nur eine?
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Wg. Kieler Nazi-Demonstration:
Die Nazis sind längst nach Hause gefahren, die Wasserwerfer sind aus dem Stadtbild verschwunden. In der Fußgängerzone wird wieder geshoppt, und die Lokalpresse wendet sich Themen wie dem Ausbau des Flughafens in Holtenau zu. Der Spuk ist vorbei, Thema durch? Fast. Es gibt zwei Geschichten im Vorfeld der Nazi-Demo am 29.1., die bis heute einer Klärung harren. Und ich kann nach meinem jetzigen Kenntnisstand nicht ausschliessen, dass es sich lediglich um EINE Geschichte handelt.
Die erste Geschichte ist für mich als Aussenstehenden nicht transparent und betrifft den Offenen Kanal Kiel, bei der zweiten Geschichte besitze ich die Aussagen von glaubwürdigen Zeugen aus erster Hand.
Die erste Geschichte ist relativ schnell erzählt: Auf dem alternativen Newsportal indymedia findet sich ein Statement einer Hamburger Radiogruppe, die live von der Demo berichten wollte. Die Radiogruppe behauptet, dass nach Intervention von polizeilicher Seite von der Leitung des Offenen Kanals in der Nacht vor der Demo ein Austausch der Schlösser veranlasst wurde. Am Vorabend der Demo wurde nach Angaben der Radiomacher bis 22 Uhr in den Räumlichkeiten des OK an der Vorbereitung gearbeitet. Die betreffende Gruppe stand entgegen der angeblich vorher getroffenen Vereinbarungen am Morgen des 29.1. vor verschlossenen Türen und konnte keine Berichterstattung durchführen. Angeblich soll dieser Schlosstausch damit begründet worden sein, dass die Polizei nicht die Sicherheit des Sendebetriebes für den Tag der Demonstration garantieren könne. Auf der Basis dieser Behauptungen, dass die Polizei angeblich mit 2800 eingesetzten Beamten nur in der Lage wäre, die Sicherheit einer Neonazi-Demonstration zu gewährleisten, fragten einige interessierte Bürger - u.a. ich - im Gästebuch der OK-Kiel-Website nach einer Stellungnahme. Das Gästebuch ist mittlerweile offline und die Fragen verschwunden ...

Die zweite Geschichte ist umfangreicher und trug sich in der selben Nacht zu. Beginn: ca. 21:45. Ein Freund von mir, der englischsprachige, international bekannte Musiker D., verheiratet mit einer Kielerin, besteigt den alten Kleinbus, den er für Tourneen benutzt, um einen alten Freund aus Hamburg abzuholen. Zunächst fuhr er in Richtung einer nahegelegenen Tankstelle, die aber schon geschlossen hatte. Bereits auf dieser Strecke bemerkt D., dass ein alter dunkelblauer Opel langsam hinterherfährt, ohne zu überholen. Die Tankstelle hatte allerdings geschlossen, so dass D. beschloss, an der Autobahn auf dem Weg nach Hamburg zu tanken, um nicht weitere Zeit zu verlieren, da er um 23 Uhr mit dem Freund verabredet war. Er wendete den Bus ... und der Opel wendete in Entfernung ebenfalls.

D. fuhr nun auf die Autobahn und machte sich bereits Gedanken, was es mit dem Opel (Plöner Kennzeichen) auf sich habe. Haben die sich verfahren und wollen die zufällig auch auf die Autobahn?

Kein Zufall. In Höhe des Autobahnkreuzes bei Mettenhof machte sich das hinterherfahrende Fahrzeug durch Lichthupe bemerkbar und veranlasste D., auf dem Seitenstreifen zu halten. D. war in disem Moment nicht klar, ob er z.B. auf ein Problem am Heck seines Busses hingewiesen werden sollte, ob es sich um Polizei handele (solch ein altes Auto?) oder um Personen mit krimineller Absicht. Er blieb also im Wagen, während zwei Personen, ein Mann und eine Frau, gekleidet in schwarzen Lederhosen auf ihn zukamen. Da die männliche Person recht kurze Haare hatte und ich D. ein paar Tage vorher erzählt hatte, dass eine Demonstration von Neonazis in Kiel geplant sei, konnte D. nicht einmal ausschließen, dass es sich um ausländerfeindliche Rechtsextremisten handele.

Die Personen wiesen sich nicht aus, dafür sollte sich D. ausweisen. Als er seinen Führerschein hervorkramen wollte, wurde ihm bedeutet, er solle seine Hände am Steuerrad lassen. Während die weibliche Person nun anfing, sich im Bus umzuschauen, trat die männliche Person verbal aggressiv auf. Insbesondere wurden D.'s Aussagen, dass er kein Deutsch spreche und Ausländer sei, als unglaubhaft bezeichnet und der ausländische Führerschein als Fälschung. Auf D.'s Frage, was ihm denn überhaupt vorgeworfen würde - Verkehrsdelikt? -, kam als Antwort: "Maybe, maybe not".

Es entwickelte sich zu einem langwierigen, über eine Stunde dauernden "Verhör" am Autobahn-Seitenstreifen. D. musste sein Handy an die männliche Person abgeben, die dann mutmaßlich abseits im Opel die Telefonbucheinträge checkte. Ihm wurden Fragen nach der bevorstehenden Demo gestellt, ob er Drogen nähme, wo der eingetragene Fahrzeughalter stecke. Und ob die "angebliche" Lebensgefährtin alleine zu Hause wäre. Bei D. schrillten nun die Alarmglocken, da er noch immer nicht wusste, wer oder was ihn abhielt, seine Verabredung einzuhalten. Und wer diese Fragen nach der allein zu Hause schlafenden Frau stellte. D. schlug vor, zusammen zu sich nach Hause zu fahren, auch um den fehlenden Reisepass vorzeigen zu können. Und natürlich auch, um für den in Hamburg wartenden Freund telefonisch erreichbar zu sein.

Die beiden Personen willigten ein, den weiteren Ablauf schildere ich nach D.'s Aussagen in Stichworten:
- An der Wohnung angekommen, bietet D. an, den Reisepass aus der Wohnung zu holen.
- Als D. die Wohnung aufschließt, drängen die Personen hinein
- Auf die Aufforderung, die Wohnung angesichts der schlafenden Frau nicht zu betreten und dass dies Vorgehen unmöglich legal sein könne, kam als Antwort: "In Germany it is allowed!"
- Auf nochmalige Anfrage, wer die Personen überhaupt wären, wurde sehr kurz eine Metallmarke gezeigt und schnell wieder weggezogen.
- Die Personen gingen in der noch dunklen Wohnung mit Taschenlampen auf das Schlafzimmer zu
- D.'s Frau wurde, mit Schlafhemd bekleidet im Bett liegend, im Schein der auf sie gerichteten Taschenlampe wach.
- Die Personen wiesen sich abermals gegenüber der Frau nicht aus.
- Sowohl D. und auch die schlaftrunkene Frau wurden ausgefragt, subjektiv wurde dies als eine Art "Verhör" wahrgenommen.
- Da die Frau gebürtige Ost-Berlinerin ist und eigene leidvolle Erfahrungen mit der DDR-Staatssicherheit besitzt, verhält sie sich vorsichtig.
- nach einer Stunde mit Fragen, die um die bevorstehnde Demo, den Fahrzeughalter des Busses und die Privatsphäre des Ehepaares kreisen, wird D. sein Handy und sein Führerschein ausgehändigt und die Personen verlassen abrupt, grußlos und ohne jegliche Entschuldigung die Wohnung des Ehepaares.

Das war - stark verkürzt - die zweite Geschichte.

Zum Schluß einige zusätzliche Informationen, die relevant sein könnten: D. ist User beim Offenen Kanal Kiel und ging wegen der Arbeit an einem Musikvideo-Projekt dort öfters ein und aus, da sich die Wohnung auch nur ca 150m vom OK-Gebäude entfernt befindet. Auch an dem betreffenden Tag war D. kurz beim OK. Der Fahrzeughalter des Busses wiederum, der seit Wochen nicht in Kiel war, hat in den achtziger Jahren u.a. an politischen Dokumentationsfilmen mitgewirkt.

Ich vermag keine Antwort auf die Frage zu geben, ob zwischen den beiden Geschichten ein Zusammenhang besteht. Allerdings hoffe ich, mit der Veröffentlichung dieser Geschehnisse eine Antwort auf die Frage zu bekommen, in was für einem Land wir hier eigentlich leben ...

Geschrieben am 3.02.05, Bereich: Zeit