Heide wird nicht braunSchreibtischsadisten!
Rechtsextremisten glauben, sie haben jetzt genau das richtige Städtchen für ihre Braune Ideologie gefunden.
Es sieht fast so aus. Fünf Tage vor der angemeldeten Nazi- 1. Mai- Demo wissen die HeiderInnen und Heider immer
noch nicht, wer die Anmelderin ist, wie die Route verläuft und mit wievielen zu rechnen ist. Dabei ist den
Dithmarscher Behörden die Kundgebung bereits seit 1. Februar bekannt. Diese Ungewissheit macht uns wütend.
Niemand weiß, wo sie sich aufhalten, oder selbst aufhalten müssen, um ihnen aus dem Weg zu gehen. Die
Bewohner der Flüchtlingsunterkunft fühlen sich besonders gut, wenn niemand weiß, wieviele Polizisten
abgestellt werden können um sie zu schützen. Müssen Kinder den ganzen Tag im gesammten Stadtgebiet
drin bleiben, oder nur von 13 bis 14 Uhr in Stadtmitte. Auf der Pressekonferenz glänzten die Mauersegler. Auf
die Frage vom OK- Mitarbeiter, sie hätten uns die Informationen schon vorige Woche geben können, haben sie
das mit Absicht nicht gemacht, kam als Antwort des Polizeisprechers: Ja. Der Bürgermeister erlaubte sich den Spruch:
Mir ist am liebsten, wenn niemand hinschaut, wenn etwas passiert. (Er meinte, dass die Nazis nicht wiederkommen, wenn
sie ignoriert werden).Soll das einer verstehen? Weder die Damen und Herren der Heider Volksvertreter wollen protestieren,
noch der DGB. Der macht am selben Tag ein Familienfest. Ganz ein auf ahnungslos. Und die Heider Geschäftswelt -
0-Regung. Wünschen etwa alle, dass Heide braun wird? Das nun nicht gerade. Aber sie streuen ihnen Rosen auf den
Weg. Die alten Heiderinnen und Heider, die die Nazizeit noch miterlebt haben, sind jetzt 72 jahre alt. Viele leben
nicht mehr, aber für die, die überlebt haben, ist es ein traumatisches Dejavu- Erlebnis, wenn die
eigentlichen Deutschen marschieren. Die Antfaschistinnen und Antifaschisten, Menschen, die Internationale
Solidarität vor den Nationalen Wahn stellen, werden mit der Heimlich-
Touerei gequält, und die Faschisten können lachen. Nur weil der Kreis schön brav nur seine Pflicht tut. Nur weil die Stadt Heide keinen Aufruhr will. Nur weil die Gewerkschaft nirgends anecken will. Die Bewegung gegen den Krieg bleibt dabei: Auch nicht bei uns - Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg. Hinschaun, Wehret den Anfängen. Bitte Weitergeben! Gerd
Was? Noch mehr?
Der Presse ist dieser Angriff ganze zehn Zeilen wert. Sie ordnen sich der Mundpflaster- Strategie unter. Eine Woche vorher ist nicht bekannt, dass eine Demokratische Öffentlichkeit sich diesem Einmarsch entgegenstellen will.
Allein die Bewegung gegen den Krieg - Dithmarschen haben in der Öffentlichkeit dagegen Stellung bezogen.
Kasper Wessels muss, wenn man der Polizei glauben will, bereits im Februar davon gewußt haben. So hat er uns bei unserem Gespräch Theater vorgespielt. Das Dreiergestirn Kreis Dithmarschen, Stadt Heide, DGB ist reif für die perfekte Show. Der Name könnte heißen: "Abenteuer Dithmarschen - Erste Hilfe verweigert".
Es kursieren bereits zahlreich Aufrufe und Informationsblätter gegen Nazis in Heide. Einer sogar auf Türkisch. Schwer u durchschauen ist aber ein Flugblatt mit dem Titel:
1. Mai 2005 Volksprotest in Heide
Es ist gerichtet an Männer und Frauen Dithmarschens und fordert soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen. Bitte macht alle darauf Aufmerksam, dass dies Blatt mit Vorsicht zu lesen ist. Auch der Naivste müsste allerdings auf Seite zwei stutzig werden, wenn es heißt: "Aus der Berliner Republik weht uns eine soziale Kälte entgegen, die Millionen Volksgenossen in Armut und elend stürzt! Massenzuwanderung,...... Abgesehen davon, dass dies nun völliger Blödsinn ist, bedeutet für mich Zuwanderung soziale Wärme. Das Flugblatt schließt mit dem Aufruf: "Die Deutsche Jugend Holstein marschiert mit der schwarzen Fahne der Not." Mit der schwarzen Fahne ist Sensenfahne der Bauernbewegung um Herbert Volk in der Weimarer Republik gemeint, aus der heraus viele zur SA gegangen sind. Es ist unterschrieben mit: "Initiative Soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen". Wieder sind die Nichtdeutschen ausgenommen.
Es ist nicht auszuschließen, dass diese Schreiberin oder Schreiber aus Heide kommt. Ich nehme eher an, dass sie einfach einen Text aus einer anderen Stadt genommen, und die Städtenamen ersetzt hat.
Holsteins Bauernschaft geht vor die Hunde, heißt es an einer Stelle. Und auch um die Bundeswehr ist oder sind sie in Sorge: "Schulen und Kindergärten müssen ohne die Kinder von Bundeswehrangehörigen auskommen." Und alles wegen der AMI's, die uns "für fremde Interressen befehlen".
Auf jeden Fall durchdringt die Ausländerfeindlichkeit fast jeden Absatz: "Wirtschaftsunternehmen verlieren die Bodenhaftung. Sie schaffen nicht mehr gezielt Arbeit für Deutsche."
Dass am Rand für "Nazis- in- Holstein" geworben wird, ist für die Polizei kein Verbotsgrund. Wie immer ist sie auf dem rechten Auge blind.
„Den Ball flach halten“; Polizei, Kreis und Stadt bereiten sich auf die Nazi-Demo am 1. Mai vor
Von Sönke Dwenger
Heide Stell Dir vor, die Nazis marschieren am 1. Mai durch Heide, und keiner schaut zu. Das ist der fromme Wunsch von Bürgermeister Ulf Stecher und Polizeidirektor Wolf-Rüdiger Beitsch.
Sichtlich zwischen den Stühlen fühlt sich Landrat Dr. Jörn Klimant als politisch denkender Mensch einerseits und Funktionsträger (Leiter der zuständigen Ordnungsbehörde) andererseits. Bereits am 1. Februar hat eine weibliche Privatperson (Mitte 30) aus dem „deutlich rechten Spektrum“ für den Maifeiertag in Heide eine Demonstration mit 200 Teilnehmern und mehreren Kundgebungen angemeldet. Thema ihrer Veranstaltung: „Soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen.“
Vom Bahnhof aus wollen die Demonstranten von 13 bis 17 Uhr durch die Stadt ziehen und zwischendurch an drei Stationen Kundgebungen abhalten. Spezielle Auftakt- und Abschlussreden soll es nicht geben. Bei einer Pressekonferenz gestern Vormittag im Heider Polizeigebäude würdigte der Landrat die „gute, harmonische Abstimmung mit der Polizei“. Ziel sei es, die Nazi-Demo ohne Ausschreitungen und möglichst auch ohne viel Aufhebens über die Bühne zu bringen. Als größte Gefahr wird angesehen, dass es zu einem Aufeinandertreffen von Demonstranten und Anti-Faschisten kommt. „Unser Hauptanliegen ist es, dies zu verhindern“, kündigte Dithmarschens Polizei-Chef Beitsch an und verspricht, dabei Fingerspitzengefühl walten zu lassen. Er selbst sei sich übrigens sicher, dass aus dem Demonstrationszug der Rechten heraus keine offensive Gewalt kommen wird allenfalls nach entsprechender Provokation. Es gebe deutliche Mobilisierungsaufrufe von Anti-Faschisten, doch konkrete Anmeldungen zu Gegenveranstaltungen lägen nicht vor.
Die kreisweite 1.-Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die von 10 bis 14 Uhr auf dem Heider Südermarkt als Familientag stattfindet, wird voraussichtlich schon aus Zeitgründen nicht mit dem Aufmarsch der Rechten kollidieren. Dafür, dass sich die Wege nicht kreuzen, habe der Kreis schon gesorgt. Ansonsten wird streng geheim gehalten, welche Route die Demonstranten einschlagen und wo sie ihre drei Kundgebungen abhalten wollen. Die Polizei will verhindern, dass Gegner die Strecke (wie auch immer) präparieren bzw. sich auf die Lage einstellen können. Nach der von der Verfassung garantierten Versammlungsfreiheit sei die Demonstration nicht genehmigungspflichtig, sagte der Landrat. Der Kreis habe lediglich die Anmeldung entgegenzunehmen und zu prüfen, ob der Ablauf geordnet ist. Das Versammlungsrecht selbst biete kaum Ansatzpunkte, die Demonstration zu verbieten, unterstrich der Landrat, „zumal, wenn alle Auflagen formal erfüllt werden“. Außerdem wolle der Kreis Dithmarschen nicht dafür sorgen, dass die Veranstalter sich einen Märtyrer-Status verschaffen, in dem sie ihre Demonstration juristisch durchboxen.
Dr. Klimant: „Glauben Sie mir: Ich hätte nichts lieber getan, als mit gutem Gewissen diese Veranstaltung zu verbieten.“ Dafür habe es aber keine rechtliche Handhabe gegeben.
Stecher bittet: Nicht zugucken
Ich hoffe, dass es nicht mehr wird als ein kleiner Spuk“, sagte Heides Bürgermeister Ulf Stecher bei der Pressekonferenz im Polizeihaus, zu der auch Journalisten aus Hamburg und Kiel gekommen waren. „Für uns ist insgesamt nicht richtig quantifizierbar, was hier passieren wird. Ich habe aber die Hoffnung, dass es nicht so groß und in der öffentlichen Darstellung nicht so aufgewertet wird. Deshalb haben wir versucht, den Ball flach zu halten. Ich glaube jedenfalls nicht, dass Heide für Rechtsradikale ein Nährboden ist. Dies ist eine demokratisch gesinnte Stadt, und die Rechten haben hier nichts verloren!“ Sein Appell an die Bürger: Wenn der Demonstrationszug vorbeikommt, nicht zugucken oder womöglich aus den Fenstern hängen. „Sie sollen feststellen: Hier ist es uninteressant; nach Heide kommen wir nicht wieder. . .“
13 Auflagen
Nach „sorgfältiger Prüfung“ seien 13 Auflagen erteilt worden gestützt auf Bescheide anderer Behörden, die schon mehr Erfahrungen mit solchen Demonstranten und entsprechende Verwaltungsgerichtsurteile vorliegen haben. Hiereinige der Auflagen:
- Die Veranstaltung muss friedlich und ohne Waffen unter freiem Himmel stattfinden.
- Jedes militärische Auftreten wird untersagt (also: kein Gleichschritt, keine Blockbildung, keine Uniformen oder Uniformteile, keine Bomberjacken, keine Springerstiefel, keine Gesinnungssymbole).
- Keine Trommeln, keine Fackeln, keine Transparente mit strafbarem Inhalt, kein Fahnenmeer.
- Der angemeldete Lautsprecherwagen darf nur bei den Kundgebungen (also nicht beim Umzug) eingesetzt werden. Sobald die Polizei eine Durchsage machen will, muss der Lautsprecherwagen erstummen.
- Es dürfen keine strafbaren Parolen verkündet werden.
Die Veranstalterin habe all dies akzeptiert, berichtet Landrat Dr. Jörn Klimant. Damit seien die Auflagen rechtswirksam; wenn sie nicht eingehalten werden, sei die Veranstaltung sofort aufzulösen. Polizeidirektor Wolf-Rüdiger Beitsch kündigt schon gestern an: „Der Umzug setzt sich nicht in Bewegung, wenn auch nur eine Auflage nicht erfüllt wird!“
Wie viele Polizeikräfte er einsetzen wird und mit welcher Strategie er das Aufeinandertreffen der Gruppen auf den Straßen verhindern will, mochte Beitsch gestern ebenfalls nicht bekannt geben. Die Ordnungshüter wollen so wenig wie möglich Präsenz zeigen, um zu unterstreichen, wie friedlich die Kreisstadt doch ist. Beitsch: „Es ist nicht gerade eine schöne Aufgabe, so etwas begleiten zu müssen.“
Woher die 200 Demonstranten der rechten Szene kommen werden, könne der Polizeidirektor nicht sagen. Er vermute aber, dass sie eher aus dem regionalen Umfeld zwischen Küste und Hamburg kommen und zu denjenigen gehören, „die nicht über genügend Barmittel verfügen“, um zu den großen Kundgebungen nach Leipzig oder Berlin zu reisen.