Im Kernkraftwerk Brokdorf ist es zu zwei meldepflichtigen Ereignissen gekommen. Das teilte die schleswig-holsteinische Reaktorsicherheitsbehörde mit.
Reaktor 1 wurde am Mittwochabend automatisch heruntergefahren, weil die Notabschaltung durch ein Problem der Turbine im Maschinenraum im nicht-radioaktiven Bereich ausgelöst worden sei. Sobald der Reaktor wieder hochgefahren werde, könne Wasserdampf über dem AKW austreten. Der Dampf sei nicht radioaktiv.
Der Störfall am 9. April 2014 im französischen Kernkraftwerk nahe der deutschen Grenze soll gravierender gewesen sein als bislang bekannt. Wasser sei in Kabelschächte gelaufen und hätte elektrische Einrichtungen lahmgeleg. Die Steuerstäbe im Reaktor hätten dann nicht mehr bewegt werden können, sodass von der Bedienmannschaft eine Notabschaltung durch Einleiten von Bor durchgeführt worden sein soll. Eine solche Notabschaltung habe es nach Einschätzung des Experten Manfred Mertins noch nie in einem westlichen Kernkraftwerk gegeben. Lässt man die Steuerstäbe komplett in das Reaktorgefäß fallen, schaltet man dadurch den Reaktor ab. Diese soll nach den Berichten der genannten Medien nicht mehr möglich gewesen sein. Hier kommt man an die Grenze der Metapher, weil man ein Kernkraftwerk nicht einfach „ausrollen“ lassen kann. Wenn in dem Zeitraum, in dem der Reaktor nicht aktiv hätte gesteuert werden können – in den Berichten wird hier von drei Minuten gesprochen –, eine weitere Störung, wie etwa ein Ausfall der Kühlwasserpumpen, aufgetreten wäre, hätte es dann irgendwann eine Überhitzung und Kernschmelze geben können.
von Brockdorf - akut
In Norddeutschland wurden acht Atomkraftwerke errichtet.
Lingen: Baubeginn 1. 10. 1964, Betriebsbeginn 1. 10. 1968, Leistung 268 Megawatt (MW), Stilllegung 5. 1. 1977, im Einschluss.
Stade: Baubeginn 1. 12. 1967, Betriebsbeginn 19. 5. 1972,
Leistung 672 MW, Stilllegung 14. 11. 2003, im Rückbau.
Brunsbüttel: Baubeginn 15. 4. 1970, Betriebsbeginn 9. 2. 1977, Leistung 806 MW, Stilllegung 6. 8. 2011, Rückbau in Planung.
Unterweser: Baubeginn 1. 7. 1972, Betriebsbeginn 6. 9. 1979, Leistung 1.410 MW, Stilllegung 6. 8. 2011, im Rückbau.
Krümmel: Baubeginn 5. 4. 1974, Betriebsbeginn 28. 3. 1984, Leistung 1.402 MW, Stilllegung 6. 8. 2011, Rückbau in Planung.
Brokdorf: Baubeginn 1. 1. 1976, Betriebsbeginn 22. 12. 1986, Leistung 1.480 MW, Stilllegung geplant zum 31. 12. 2021.
Grohnde: Baubeginn 1. 1. 1976, Betriebsbeginn 1. 2. 1985,
Leistung 1.430 MW, Stilllegung geplant zum 31. 12. 2021.
Emsland: Baubeginn 10. 8. 1982, Betriebsbeginn 20. 6. 1988, Leistung 1.406 MW, Stilllegung geplant zum 31. 12. 2022.
Das AKW Krümmel soll abgerissen werden. Doch längst nicht alle Anwohner und Umweltverbände sind mit dem Entsorgungskonzept von Betreiber Vattenfall einverstanden
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Von Sven-Michael Veit
Blühende Landschaften statt strahlender Meiler: Über den Abriss des Atomkraftwerks Krümmel bei Geesthacht wird ab dem morgigen Dienstag geredet. Im Sachsenwald Forum in Reinbek beginnt die mehrtägige öffentliche Erörterung der Pläne, wie sich Kraftwerksbetreiber Vattenfall den Abriss des Meilers und den Bau eines Zwischenlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle auf dem Werksgelände vorstellt.
„Der Strahlenschutz steht auch bei der Stilllegung und dem Abbau eines Atomkraftwerks immer im Vordergrund“, beteuert Schleswig-Holsteins grüner Energieminister Jan Philipp Albrecht. Erst wenn die Meiler tatsächlich abgebaut werden, würde „der gemeinsam beschlossene Atomausstieg für jedermann sichtbar“.
Der Atomreaktor in Krümmel war 2011 nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima stillgelegt worden. Allerdings war er bereits seit Juni 2007 wegen diverser Zwischenfälle abgeschaltet. Lange hatte er zudem in Verdacht gestanden, für die Häufung von Leukämieerkrankungen vor allem bei Kindern und Jugendlichen in der Elbmarsch oberhalb Hamburgs verantwortlich zu sein. Obwohl das nicht gerichtsfest belegt werden konnte, wurde er von Atomkraftgegnern gern „Krümmelmonster“ genannt.
Geklärt werden muss vor allem die Entsorgung des belasteten und des unbelasteten Materials. Strahlende Abfälle wie die Brennstäbe sollen nach dem Antrag, den Betreiber Vattenfall Ende 2016 der Atomaufsicht im Energieministerium vorgelegt hat, in Castorbehältern in einem neu zu errichtenden Zwischenlager auf dem Kraftwerksgelände aufbewahrt werden. Außerdem sollen schwach- und mittelradioaktive Abfälle in dem Zwischenlager aufbewahrt werden, bis dereinst ein Endlager gefunden ist.
Alle Teile des Kraftwerks werden auf ihre radioaktive Belastung geprüft, nach einer mehrstufigen „Freimessung“ können sie als gering belasteter oder unbelasteter Schutt deklariert werden. In jedem Atomkraftwerk sind Hunderttausende Tonnen Beton verbaut, Krümmel ist rund 550.000 Tonnen schwer.
Nur ein kleiner Teil im Innern der Anlage kommt jedoch mit Radioaktivität in Berührung und erhält aufgrund seiner Strahlenbelastung nur eine eingeschränkte Freigabe. Diese Stoffe fallen unter das Abfallwirtschaftsgesetz und müssen daher auf Deponien gelagert werden. Als unbedenklich gelten Abfälle mit einer Strahlenbelastung von weniger als zehn Mikrosievert. Sie sollen auf gewöhnlichen Deponien gelagert werden dürfen.
Zehn Mikrosievert pro Jahr entspricht einem Hundertstel einer Computertomographie oder einem Tausendstel der jährlichen Höhenstrahlung auf 2.000 Meter Meereshöhe. Dennoch gilt dieser Grenzwert bei Atomkraftgegnern und Umweltschützern als viel zu hoch. Das Entsorgungskonzept, das in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet wurde, trifft bei den atomkritischen Umweltverbänden deshalb nicht auf Begeisterung, zudem haben 390 Einzelpersonen schriftliche Einwendungen eingereicht.
Albrecht geht davon aus, dass es für die Lagerung von Abfällen aus den AKW-Abrissen gute Lösungen geben wird. „Ich bin großer Hoffnung, dass es uns gelingen wird, dafür Deponien zu finden“, sagte er. Für Krümmel käme das nahegelegene Abfallwirtschaftszentrum Wiershop bei Geesthacht infrage. Eine zehn Hektar große Sandgrube, die noch abgebaut wird, könnte anschließend mit Bauabfällen aus Krümmel verfüllt werden, boten die Betreiber vorige Woche im Geesthachter Umweltausschuss an.
Die Erörterung findet in nicht öffentlicher Sitzung statt, mit einem Beschluss ist 2020 zu rechnen. Und danach beginnen vermutlich Gerichtsprozesse. Etwas weiter ist man beim Verfahren um das ebenfalls 2011 stillgelegte AKW Brunsbüttel. Dort wird für 2019 die Abrissgenehmigung erwartet. Zehn bis 15 Jahre später soll der störanfällige Pannenreaktor verschwunden sein. Dass es dazu „in überschaubarer Zeit“ auch in Krümmel kommt, findet Energieminister Albrecht „gut“.