Flüchtlinge sind nicht gefährlich sondern gefährdet.

Bist Du informiert? Engagiere Dich!

Der Treffpunkt für Migrantinnen und Migranten:

Manchmal brodelt es über vor Lebensfreude und Gelächter, manchmal überwiegt Nachdenklichkeit, Trauer um Verlorenes oder schmerzhaft Erlebtes. Ein verhältnismäßig junges Projekt der "Brücke Dithmarschens" ist der "Treffpunkt für Migrantinnen und Migranten" - ein niedrigschwelliges Angebot für seelisch belastete Frauen und Männer, die aus unterschiedlichen Gründen nach Deutschland gekommen sind und hier eine neue Heimat finden wollen (bzw. mussen!).
Die Brücke bietet den "Treffpunkt" in Kooperation mit der Migrationssozialberatung des Diakonischen Werkes an. Seit Sommer 2002 treffen sich an jedem 2. Dienstag von 17.00 bis 19.00 Uhr Menschen aus dem Kosovo und aus dem Irak, aus Togo und dem Kongo, aus Aserbaidschan, der Türkei und aus der ehemaligen Sowjetunion..., um Konkte zu knüpfen, zusammen Tee zu trinken, um sich über ihre (oft schmerzhaften) Erfahrungen in ihren Heimatländern und in Deutschland auszutauschen oder - und das ist besonders wichtig - um miteinander zu Lachen, zu singen oder auch zu feiern und für ein paar Stunden all das vergessen zu können, was oft wie ein schwerer Stein auf ihren Seelen liegt.
Der "Treffpunkt" am 29.11.05, kurz vor 17.00 Uhr: Das "Brücke-Wohnzimmer" füllt sich mit Menschen, bis schließlich 15 Erwachsene und 2 Kinder versammelt sind - die Kinder stürzen sich sofort mit Hurra auf Julia, eine Schülerin der Erzieherfachschule, die sich seit über einem Jahr ehrenamtlich um die Kinder kümmert (DANKE, JULIA!!!) Die "GroBen" begrüßen sich, reichen Tee und Kaffee herum, alle reden in ... heute abend sind es 5 Sprachen (!) durcheinander. Meine Kollegin Anja Döhren von der Migrations-sozialberatung hat - wie immer - noch nicht einmal ihre Jacke ausgezogen und schon Briefe und Dokumente in der Hand, die ihr mit den Worten "Anja, ich habe Post bekommen! Was steht da drin???" zugesteckt wurden und die ganz schnell mal eben beantwortet werden müssen!
Ich sitze mit Block und Stift in der Mitte und versuche, ein paar Fragen für diese Zeitung loszuwerden. Die Konzentration ist aber zunächst woanders: ein junger kurdischer Mann berichtet der Gruppe von seiner Angst, dass er womöglich in den nächsten Wochen abgeschoben wird. Betroffenheit, Nachdenklichkeit und auch Angst sind zu spüren. Einige Besucher/- innen äußern sich vorsichtig, berichten von eigenen Erfahrungen mit Behörden und mit der Presse. Einfache Lösungen gibt es nicht für den jungen Kurden und seine Familie - er ist angewiesen auf einen guten Anwalt und auf . .. Glück? Und darauf, dass die deutschen Gesetze in seinem Sinne ausgelegt werden!
Die Stimmung in der Gruppe ist jetzt gedrückt. Alle hängen mehr oder weniger ihren eigenen Gedanken nach... Zum Glück bringen die Kinder immer wieder neues Leben in die Gruppe: die dreijährige Anita fragt wie jeden Dienstag nach einem Luftballon, Aida will uns unbedingt etwas zeigen... und schon können auch die Erwachsenen wieder freier atmen und sich wieder der Gegenwart im Brücke-Wohnzimmer zuwenden. Ich komme wieder mit meinen Fragen und vielleicht ist es auch gerade dieser Vorfall an diesem Abend, der in die Antworten auf meine Frage: "Warum kommt Ihr zum Treffpunkt?Was ist Euch wichtig hier?" mit einfließt! Hier zusammengefasst die Antworten:
Wir können hier ohne Angst über unsere Probleme sprechen und wir finden hier ein Stück heimat-Wärme!". Haxhi, 40, aus dem Kosovo
"Hier ist es wie in einer großen Familie: ich habe neue Brüder und Schwestern gefunden" Aysel, 39 Kurdin aus der Türkei
"Ich treffe hler warmherzige Menschen und es gibt mir warme Gefühle, ich fühle mich sicher, wenn ich hierher komme" Esso, 38, aus Togo
"zuhause ist es langweilig, hier lerne ich neue Leute kennen" Remize, 36 aus dem Kosovo
"Die deutschen Gesetze haben mir und meiner Familie sehr geholfen. Hierher kann ich mit meinen Problemen kommen - ich bin froh, dass ich hier bin!"Zahid, 44, aus Aserbaidschan
"über den Treffpunkt gibt es einen kostenlosen Deutschkurs, den ich mit meiner Familie besuchen kann.lch bin sehr dankbar und zufrieden!" Naringül, 36, aus Asrbaidschan
"Ich finde hier immer wieder inneren Frieden, das macht mich dann zufrieden!" Massoum, 30, Kurde aus der Türkei
"Für mich ist Fremdes eine Bereicherung - deshalb nehme ich am Treffpunkt teil!" Gerd, 48, aus Dithmarschen
Für uns Kinder ist es hier toll, wir basteln und spielen mit Julia!" Aida und Anita, 7+3, in Deutschland geboren

Müde mache ich mich um 19.00 Uhr auf den Heimweg - wie immer beeindruckt und in Gedanken versunken! Ich muss vor mich hinlachen, aIs ich daran denke, wie eine Klientin der Tagesstätte (DANKE, IMKE) die Gruppe für die Fotos zurechtstellte: Sofa zur Seite, alle zusammenrufen und nach Größe sortieren'' fast hätten wir Aysel vergessen, die war noch schnell zur Toilette. . . viel Gegacker und gute Laune - das Schwere konnte für einen Augenblick verblassen!
Jeder "Treffpunkt"-Abend ist anders! Wir wissen vorher nie, was uns erwartet. Manchmal brodelt es über vor Lebensfreude und Gelächter, neue Besucher/innen kommen und bringen neue Impulse und neue Ideen mit.
Manchmal überwiegt Nachdenklichkeit, Trauer um verlorenes oder schmerzhaft Erlebtes. Alles darf sein und hat seinen Platz. Immer gibt es in der Gruppe Verbundenheit, wirklich gelebte "Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit" untereinander und das berührt und begeistert Anja Döhren und mich immer wieder aufs Neue! Uschi Sieg, Dezember 2005