NoLager - Aktionstour trotz massiver Bedrängung erfolgreich beendet !
Am 25.09.05 endete die NoLager - Aktionstour des gleichnamigen Netzwerkes in der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns.
Nach den Protesten gegen das bisher größte deutsche Lager in Bramsche-Hesepe reiste der Konvoi am gestrigen Sonntag zum zukünftig größten deutschen Aufnahme- und Abschiebelager nach Nostorf / Horst bei Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern.
Falls die Nutzung der dortigen Einrichtung bis Ende diesen Jahres tatsächlich auch für Hamburger Flüchtlinge vereinbart wird und dann geplante Kooperationen mit weiteren Bundesländern (s. Frankfurter Rundschau, 24.09.) zustande kommen, wird es evtl. norddeutschlandweit keine Möglichkeit mehr geben einen Großteil der dem Norden der Bundesrepublik Zugewiesenen menschenwürdig unterzubringen.
Die Isolation der Menschen im Lager, z.B. in einer „nicht im Zusammenhang bebauten Ortschaft” wird auch nicht durch eine regelmäßige Buslinie, geschweige denn durch einmal im Jahr stattfindende Sportevents durchbrochen. Das Innenministerium MV’s verweist auf eine Ausnahmeregelung, in der so genannten Gemeinschaftsunterkunftsverordnung (GUVO; §9,1), die als übergangsvorschrift galt - indirektes Eingestehen der isolierten Lage. Ein Erlass des Landes soll nur für kommunale Unterkünfte gelten, nicht aber für das Landesamt selbst. „Diese Auslegung ist nur als mühevolles zurechtbiegen und dreist zu bezeichnen. Statt eine verringerte Anzahl von Flüchtlingen dezentral in Wohnungen an Orten ihrer Wahl unterzubringen, zumindest in größeren Städten mit Infrastrukturen zur unabhängigen Beratung und Unterstützung, wird über Isolation Abschreckung und Hilflosigkeit erzeugt. Lagerunterbringung ist menschlich unwürdig und dient im Fall des Horster Lagers zukünftig vor allem dazu Abschiebungen unter Ausschluss der öffentlichkeit, zentral durchzuführen.”
Die Proteste vor der so genannten „Landesgemeinschaftsunterkunft” MV's wurden mittels eines offensichtlich symbolischen, wenngleich auch überzeugenden, rüttelns am Eingangstor vorgebracht. Nachdem sich die Lage beruhigt hatte und die ersten Redebeiträge bereits beendet waren, nahm die Polizei völlig unverhältnismäßig, mit fadenscheiniger Begründung, (vermutliche Sachbeschädigung) zwei „in Gewahrsamnahmen” vor. Die erhobenen Anschuldigungen (Widerstand) resultieren jedoch alleinig aus dem Vorgehen der Polizei. „Die angekündigte Deeskalationsstrategie war hier nicht erkennbar.” Im Gegenteil gab es weiter massive Einschüchterungsversuche durch die Polizei. Parallelen zur letztjährigen NoLager - Aktionstour in den Landkreis Parchim sind zu ziehen. „Nervöse, völlig überdimensioniert anwesende Hundertschaften kommen ganz offensichtlich nicht mit einer offensiv vorgetragenen Meinungsäußerung von Menschen zurecht, die, tagein, tagaus, unter Sondergesetzen und -behandlung leiden.”
Die Einschüchterungsversuche gegenüber Insassen der besuchten Lager werden einerseits durch Drohungen mit Strafen und Einschränkungen deutlich, die von der Verweigerung der Reisefreiheit, über Nachteile beim Asylverfahren bis zur Minimierung des ohnehin kärglichen Taschengeldes reichen, andererseits an Haus- und Besuchsverboten von Unterstützern vor und während der Tour. Die durchaus gewollte Politik, ausgeführt von verharmlosenden Beamten und teils vermummt auftretenden Polizisten führte jedoch auch diesmal nicht zum gewünschten Erfolg.
Mindestens 15 Flüchtlinge aus Horst und weitere aus dem Containerlager Schwerin - Görries nahmen an den Protesten gegen ihre Unterkünfte teil und begleiteten die Tour auf die zwar kurze, aber dennoch bunte, laute und phantasievolle Abschlußdemonstration durch die Schweriner Innenstadt. Die geringe Beteiligung der Schweriner Bevölkerung war der nicht vorhandenen Vorinformation durch die lokale Presse ebenso geschuldet wie der „abschirmenden” Polizei.
Ein zum Auftakt der „Interkulturellen Woche” stattfindender Festakt im Rathaus der Landeshauptstadt kann nicht über die unbefriedigende Lagerung von Menschen in Containern hinweg täuschen. Vernünftige Ansätze konzeptioneller Integration zur Unterstützung migrantischer Selbstorganisation dürfen nicht bei Asylsuchenden ad acta gelegt werden. Eine Sicht durch die rosarote Brille scheint jedenfalls fehl am Platz. Vielmehr sollte in Schwerin die Wirklichkeit im Licht der bestehenden Menschenfeindlichkeit in der Flüchtlingspolitik betrachtet werden.
Vielleicht weiß niemand genau was „Die Würde des Menschen” ist, schön geredete, zwanghafte Lagerunterbringung gehört zweifelsfrei nicht dazu.
Aktionstour gegen das europäische Lagersystem am 24./25.9.05: Breites Bündnis und viele Flüchtlinge bei den Demonstrationen in Bramsche und Mecklenburg-Vorpommern:
Auch am zweiten Tag der Aktionstour gegen das europäische Lagersystem, zu dem das NoLager - Netzwerk, das Komitee für Grundrechte und Demokratie und diverse Flüchtlings- und Menschenrechstorganisationen aufgerufen hatten, beteiligten sich heute in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt ca. 300 Menschen an den Aktionen vor den Lagern Horst bei Boizenburg und Schwerin-Görries sowie an der Abschlußdemonstration in Schwerin.
Bereits im Vorfeld und auch am heutigen Tag wurden die Flüchtlinge in den beiden Lagern von den Behörden massiv eingeschüchtert und mit Repressionen bedroht. Informationsblätter wurden eingesammelt, vor dem Kontakt mit BesucherInnen aus dem NoLager - Netzwerk gewarnt und Strafen angekündigt, falls Flüchtlinge an den Aktionen teilnehmen würden. Bei beiden Lagern wurden für den gesamten Tag Besuchsverbote verhängt. Trotzdem kamen aus dem Lager Horst viele Flüchtlinge vor das verschlossene Tor, und ca. 15 von ihnen fuhren in Bussen mit nach Schwerin.
Sie berichteten von den Bedingungen im bisher als Erstaufnahmeeinrichtung dienenden, jetzt aber in eine Art Abschiebezentrum umgewandelten Lager Horst, in das 2006 auch alle Flüchtlinge, für die Hamburg zuständig ist, verlegt werden sollen. RednerInnen stellten einen Zusammenhang her zwischen dieser Aus-Lagerung von Flüchtlingen aus den europäischen Metropolen in die Wälder und der geplanten und z.T. bereits praktizierten Internierung von Flüchtlingen und MigrantInnen in nordafrikanischen Wüstencamps.
Abschreckung, Hinderung an der Einreise und Erleichterung der Abschiebung sind die Ziele derjenigen, die diese Lager planen und betreiben. Während der Redebeiträge kam es durch agressives Filmen der Polizei zu einer angespannten Stimmung, und statt zu deeskalieren, reagierte die Polizei mit zwei Festnahmen. Weitere Verhaftungen wurden angedroht, und um eine Eskalation zu verhindern, brachen die VeranstalterInnen die Kundgebung früher als geplant ab. Vier Busse und mehrere PKWs setzten sich in Bewegung, um nach Schwerin weiter zu fahren.
Auch die Flüchtlinge, die in Schwerin-Görries in einem Containerlager leben müssen, wurden zunächst von einem Polizeiaufgebot mit kläffenden Hunden am Verlassen des Lagers gehindert und erneut drohten Festnahmen. Erst nach Protesten der DemonstrantInnen und Verhandlungen mit der Polizei durften Flüchtlinge an der Kundgebung und einem Picknick teilnehmen.
Mit Verspätung fuhr der Konvoi in die Schweriner Innenstadt, wo dann lautstark und bunt die Abschlußdemonstration stattfand. Erst nach Ende der Veranstaltung wurden die beiden vor dem Lager Horst in Gewahrsam genommenen Demonstrationsteilnehmer wieder freigelassen. Das NoLager - Netzwerk wird, zusammen mit einem breiter werdenden Spektrum an Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, weiter Lager als Nicht-Orte, die der Menschenwürde widersprechen, kritisieren und aufsuchen. Damit wollen wir versuchen, die Isolation der in den Lagern internierten Menschen zu durchbrechen und gemeinsam mit ihnen für Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit, gegen Abschiebungen, für ein Bleiberecht und menschenwürdiges Wohnen für alle kämpfen.
Weitere Informationen sowohl zu den Aktionen und Aufrufen(den) als auch zu den besuchten Lagern auf: www.fluechtlingsrat-hamburg.de ; www.nolager.de