Hartz IV: Weitere Pannen

Die Computerpanne bei der ersten Auszahlung des neuen Arbeitslosengeldes II hat für die Bundesagentur für Arbeit (BA) auch finanzielle Folgen. Die Behörde will die Mehraufwandkosten der Banken übernehmen. Dies habe die BA von sich aus angeboten, sagte ein Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Banken am Freitag in Berlin.
Weil die Bundesagentur falsche Kontonummern übermittelt hatte, mussten Banken und Sparkassen rund 1,8 Millionen überweisungen zum Teil am Neujahrswochenende per Hand korrigieren.
Nachdem viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger wegen eines groben Schnitzers in dem für die Auszahlung von ALG-II zuständigen Softwaremodul den Jahresbeginn 2005 erst einmal ohne Geld verbringen mussten, sind nun weitere Schwierigkeiten bei der Auszahlung aufgetreten. Die Software der Bundesagentur für Arbeit hatte alle Kontonummern, die kleiner als 10- stellig sind, rechtsbündig statt linksbündig aufgefüllt, darum konnten viele überweisungen den Empfängern nicht zugeordnet werden. Es wurden die Angaben über die Zahl der Barscheck-Empfänger inzwischen auf 4400 korrigiert.
Inzwischen hat die Bundesagentur in einem zweiten Anlauf den Banken korrekte Datenträger nachgeliefert, diese aber nach Informationen aus Bankkreisen mehrere Zehntausend Datensätze weniger als beim ersten Mal enthalten. Das bedeutet, dass weiterhin Empfänger erst einmal leer ausgehen müssen. In dem Wirrwarr haben andererseits nach Informationen von heise online eine große Zahl von Empfängern überweisungen doppelt erhalten. Die in diesem Zusammenhang genannte Zahl von 100.000 Empfängern wollte ein Sprecher der Postbank -- dort haben viele ALG-II-Empfänger ihr Konto -- auf Anfrage hin nicht bestätigen.
Ein weiterer Fehler hat sich offenbar beim Ausdruck der Barschecks eingeschlichen, die auf dem Postweg an ALG-II-Empfänger ohne Konto verschickt werden. überlange Straßennamen wie "Claus Graf von Stauffenberg-Str." werden gekürzt, was in mehreren Fällen zur Folge hatte, dass die Zustellung der Schecks scheiterte.

Akten in Arbeitsagenturen verschwunden

Eine Woche nach dem in Kraft treten der Arbeitsmarktreform Hartz IV häufen sich die Pannen in den Arbeitsagenturen. Allein in den Agenturen Mitte und Süd in Berlin sollen mehrere tausend Anträge auf Arbeitslosengeld II verloren gegangen sein. (10.01.2005, 10:35 Uhr) Besonders hart betroffen seien berufsfähige, aber behinderte und kranke Menschen. In den meisten Fällen seien die Anträge offenbar zwischen den bisher zuständigen Sozialämtern und den Agenturen verschwunden.

Sachbearbeiter beklagen zahlreiche Mängel

Zeit für ausreichende Tests hat es nicht gegeben. Entsprechend viele Pannen hat es bereits gegeben: Immer wieder beschweren sich Sachbearbeiter über das träge System, das oft minutenlang nicht reagiert. Dann streiken die Drucker oder es werden keine Eingaben angenommen. Viele kennen solche Pannen auch von zu Hause. Aber wenn so etwas im Amt passiert, hat das Folgen.
Mancher Bescheid wird gar nicht gedruckt - oder er wird falsch formatiert, etwa wenn eine "Bedarfsgemeinschaft" mehr Mitglieder hat, als in der Software vorgesehen.

Auch Datenschützer üben Kritik

Allerdings üben jetzt einige Datenschützer Kritik. über die Software entstehe ein kaum zu kontrollierender Datenpool über die künftig nahezu drei Millionen Hilfeempfänger. Das Problem: Sämtliche Sachbearbeiter von Flensburg bis Konstanz hätten ungehindert Zugriff auf diese Daten. Laut Erkenntnis der Datenschützer sei bei der "Installation des Programms nicht mal ansatzweise der Schutz der hochsensiblen Daten versucht worden", urteilt der Fachdienst heise.de.

Abgesehen davon: So manche Funktion fehlt in der Software bislang vollständig. Zum Beispiel das Modul, mit dem Zahlungen bei fehlenden oder mangelhaften Auskünften gekürzt werden können. Diese Erweiterung soll erst mit einem Release (Programmversion) der Software eingespielt werden, die voraussichtlich im März 2005 fertig gestellt wird.
Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" sind seit dem 18. Oktober 14 massive Produktionseinschränkungen oder Totalausfälle aufgetreten.
Im Januar sei eine weitere Software-Verbesserung geplant, mit der die Daten von Sozial- und Arbeitslosenhilfe erfasst und bearbeitet wird.

Hartz IV spart Milliarden für die Reichen

Die Sozialreformen der Regierung könnten die Arbeitgeber in den nächsten zwei Jahren um bis zu zehn Mrd. Euro entlasten. Das sagte Regierungsberater Bert Rürup gegenüber der "Financial Times Deutschland"
.  Allein die Gesundheitsreform dürfte den Arbeitgeberanteil an den Sozialbeiträgen bis 2006 von heute knapp 21 Prozent auf gut 20,3 Prozent senken. Weitere Entlastungen könnten von den Arbeitsmarktreformen und einer anziehenden Konjunktur ausgehen, sagte Regierungsberater Bert Rürup.
Clement rechnet mit 15 bis 20 Prozent weniger Arbeitslosen. Schätzungsweise neun Prozent der Anträge auf Arbeitslosengeld II seien abgelehnt worden. Manche hätten erst gar keinen Antrag gestellt, weil sie keine Chance auf Bewilligung gesehen hätten. Andere hätten aus moralischen Gründen auf den Antrag verzichtet. Außerdem werde sich herausstellen, dass etliche Menschen, die jetzt in die Arbeitsvermittlung aufgenommen worden seien, dort nicht hinein gehörten.

Mietspiegel

Bislang wisse man erst von einigen Fällen, in denen Kommunen beim Wohngeld zu streng seien und dieses nicht wie von der Regierung empfohlen am örtlichen Mietspiegel orientierten, sagte der frühere Chef der IG Chemie.

Christian Lamß, Leipziger Erwerbslosenzentrum

Ich schätze, dass 90 Prozent der Bescheide falsch oder zumindest nicht nachvollziehbar sind.