Liebe Leserin, Lieber Leser

Da sitze ich am 25.10.2010 im „Jobteams- Projekt“ oder auch „Perspektive 50- plus“ und starte das Buch, das, wenn alles klappt, in acht Wochen fertig ist. Bumme­lig  alle zwei Jahre wird der Hartz IV- Empfänger zu einer mehr oder minder sinnlosen Maßnahme angehalten, um die Arbeitslosigkeit zu beenden. Ich will nicht klagen, dazu ist der Raum hier zu klein, und das Thema ein anderes. Mir geht es um Widerstand gegen Rechts. Das Thema Erwerbslosigkeit spielen die Nazis wie Blockflöten. Die einen lassen schaffende Arbeiter gegen Sozialschmarotzer pöbeln und die anderen machen Stimmung - Arme gegen Ausländer, und alle gegen „raf­fende Kapitalisten“. Dabei sind NPD und anderen die Bedürftigen nur nützlich als Wählerstimmen. Nach der Wahl zeigen sie ihr wahres Gesicht. Die Zumutungen der Rechten nehmen nicht ab. Ein Fackelmarsch  durch Meldorf 2010, die Äußerun­gen des Ex- Bankmanagers Sarrazin gegen Emigrantinnen und Erwerbslose und die römisch dekadenten Auslassungen des Außenministers Westerwelle läuten einen neuen Angriff gegen die Demokratie ein.

Ich versuche eine Zusammenstel­lung der Erkenntnisse zwischen 1933 und 1944. Meinem Fazit nehme ich vorweg, dass Norddeutschland eine zentrale Rolle beim Aufbau des Nationalsozialismus bis 1933 spielte. Ich beweise, dass die Dithmarscher entscheidende Wegbereiter waren für das, was kommen sollte. Aus den Beispielen geht auch hervor, dass die dithmar­scher und meldorfer Nazis ganz besonders verbohrt, brutal und menschenverach­tend waren. Das Traurige daran ist, dass dies alles völlig unbekannt scheint und in der Stadt keine Anzeichen dafür erscheinen. Eine weißgetünchte Leinwand suggeriert die falsche Vorstellung einer Bürgerschaft von aufrechten, friedlichen und menschenfreundlichen Einwohnern und Nachbarn. Dieser Film ist zerrissen. Die Liste der Namen der Opfer und Geschädigten auf der einen und der Täter und Profiteure auf der anderen Seite wird von Tag zu Tag länger. Und alle haben profitiert, darum haben auch alle mitgemacht. Und die Leinwand kann jederzeit wieder aufreißen. Darum dürfen die aufrechten, friedlichen Menschenfreunde dies nie vergessen.

Allein drei Denkmäler lassen eine Ahnung zu, als hätte es hier mal „was“ gegeben. Das eine denkt an die Kriegsgefangenen und das andere mahnt gegen Kriege und Willkür. Beide stehen rechts und links zwischen Polizeiwache und Amtsgericht. Das dritte steht auf dem Friedhof und ist umringt von Steinplatten auf denen die Na­men von Zwangsarbeitern stehen. Eine Ehrung der sturen und stolzen Dithmarscherinnen und Dithmarscher, die sich trotz aussichtsloser Lage im Widerstand befanden oder mit „abweichendem Verhalten“ auffielen, ist bis heute kein Thema.

Dieses Buch ist entstanden, um auf die Vorgänge  in der Gegenwart hin zu lenken, die zu wenig Beachtung erhalten, auf eine zunehmende Erkaltung der Beziehungen der Menschen untereinander, steigende Verachtung gegenüber Schwächeren, und Be­wunderung rechtsradikaler Ideologie. Dass die überlebenden Opfer jetzt um die 80 Jahre sind, und nie bekannt und gewürdigt wurden, geschweige denn eine Entschä­digung erhielten ist ebenso ein Skandal, wie, dass die Täter vor allem im Norden un­bemerkt weiterleben konnten und dazu noch geehrt wurden. Meine Eltern haben wenig erzählt über die „schlimme“ Zeit. Wir sind alle mit blauen Augen aufgewach­sen, bis dann in der Schule (allerdings wenig) und neuerdings durch das Öffnen der Ar­chive und dem Internet Einiges bekannt wurde. Ebenso wenig lässt es sich erklären, dass die Kinder und Enkel der Nazizeit auch dichthalten. „Opi war kein Verbrecher“, rief man während des Umlaufs der „Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht“ 2001. Stell mal deinen Eltern die Frage, „warum habt ihr mir nichts erzählt?“ Dann kommt die Antwort, „ich bin nach 45 geboren und habe damit nichts mehr zu tun.“ Als wenn es darum ginge, und nicht warum das III. Reich überhaupt möglich war. Frag sie, was wir heute tun können? Und sie erzählen Dir, es wird nie wieder passieren. Auch diese Haltung hat den Nationalsozialismus erst möglich gemacht.

Vielen Dank an den „Arbeitskreis Widerstand und Verfolgung im nationalsozialisti­schen Dithmarschen“ für sein beharrliches Auftreten all die Jahre, zuletzt mit der Verle­gung von Stolpersteinen in Heide, Meldorf und Burg in Dithmarschen durch den Künstler Demnig. Sie sollen die Wohnorte oder Arbeitsstätten der Opfer der Faschisten markieren, um den Gleichschritt des Schweigens ins Stolpern zu bringen. Ohne die Aktiven hier wäre das Buch nie erschienen. Daneben ist das „Bündnis gegen Rechts“ in Heide zu erwähnen, das unter anderem seit 2006 regelmäßig eine Liste von Neonaziübergriffen in Dithmarschen herausgibt und sich am 1. Mai 2005 als Einzige den Faschisten entgegengestellt haben, während die Stadt Heide und der Kreis Dithmarschen eine Desinformation gegen die Antifaschisten betrieb, um den Rechten ihren Aufmarsch über die Stadtbrücke zu ermöglichen.

Das Herzstück des Buches, die Hauptgeschichten über Friedrich Willhelm Jasper und Friedrich Jansen sind von Jan Klabunde, die Aufsätze über Constabel, Bruhn, Behrend und Wehrwolf hab ich aus dem Archiv im Keller des Dithmarscher Landesmuseums, der Constabel Bericht geht von einem Vortrag von Gerhard Paul aus. Der Aufsatz über den Aufbau bis 1933 entstand durch die Verwendung der Bücher von Rietzler, Pfeil, Harder, Biel u.a.