Nichts ist vergeben, nichts ist vergessen.

Was tun gegen Nazis? Jeder weiß, dass Antisemitismus und Ausländerhass blödsinnige Haltungen sind. Das Volk zieht es vor, dies zu glauben, statt seine Gesellschaft zu ändern. Entweder weil sie so verschuldet sind, dass sie sich eine eigene Meinung nicht leisten können, oder weil sie zu dämlich sind, dass sie die Fenster schließen, während Neonazis über die Straßen marschieren. Sie glauben, der Spuk geht wieder vorbei. Andere machen Ausländer oder Juden  für alles was sie stört oder  für ihr trostloses Leben verantwortlich; sie marschieren auch mit.

Ich habe diese Phänomene bis 1919 zurückverfolgt und ein paar Anhaltspunkte gefunden, die hilfreich sein können, um ein erneutes Aufflammen heute zu verstehen. Es hat schon vor 80 Jahren eine Blindheit auf dem rechten Auge gegeben, sodass Aufstände der Arbeiterinnen und Arbeiter von Polizei und Justiz verfolgt und verurteilt, aber Nazidemos vor Gegendemonstranten geschützt wurden. Hier passt auch eine Aufklärung über die unselige Bezeichnung Extremisten her. Allgemein findet das Recht auf Demonstrationsfreiheit seine Grenze, wenn Nazis aufmarschieren wollen, die Polizei aber mit Gegendemonstranten rechnen muss. Dann kann sie den Aufmarsch verbieten, weil sie einen friedlichen Ablauf nicht gewährleisten kann. Dieser Zustand wir dann als Problem mit linken und rechten Extremisten bezeichnet. In Wirklichkeit sollen die Rechten einen Stempel als Demokraten bekommen und ein Vorwand gefunden werden, um gegen die Linken vorzugehen. Ebenso wenig, wie Antifaschisten extrem sind, waren es die Nazis. Sie kamen allesamt aus der Mitte der Gesellschaft. Sie wurden von den Eliten erwartet, um aus ihrem Staat ein Instrument zu machen; für den Versuch, den Anschluss an den Weltmarkt der Kolonialstaaten England, Frankreich, Spanien, Portugal, USA zu bekommen und weiterhin global mitzumischen. Es waren Banker, Zeitungsbesitzer, Fürsten, Pfarrer, Lehrer, Richter, Fabrikbesitzer und Offiziere. Für die gemeine Masse war es selten, einen Mitgliedsausweis für die NSDAP zu ergattern. Solche Verdrehungen halten sich bis heute hartnäckig. Es heißt, Nazis wären ganz besonders arm, ganz besonders dumm, extremistisch oder sonst wie anders. Demgegenüber soll der Führer ganz besonders genial und Böse gewesen sein. Doch das Führerbewusstsein hatte mit Dummheit, Armut und Extremismus nichts zu tun.

Zur Zeit, 23.12.2010 beherrscht der Bundesbankvorstand Sarrazin die öffentliche Meinung über einige Themen, die zahlreich von Leserbriefschreiberinnen und -schrei­bern aufgegriffen wurden, von denen ich ein paar ausgesucht habe, um sie zu beant­worten. Sie standen in der Dithmarscher Landeszeitung (DLZ) irgendwann im Dezember 2010 und waren bis auf drei oder vier Ausnahmen rassistisch gefärbt.

Dadurch wird außerdem aufgezeigt, wie schnell es gehen kann, dass eine „herausra­gende“ Person so heftig auf die Massen einwirken kann, dass selbst Leute, von denen es niemand vorher gedacht hätte, auf den Leim gehen, und er damit eine Lawine aus­löst. So fange ich mit dem letzten Kettenglied der Zusammenhänge von einem unschuldigen Völkchen hinterm Deich zu den herzlosen Bestien, als die sie sich letztendlich aufführten, der Rolle der Massenmedien an:

Meiner Meinung nach treffen die Aussagen grundsätzlich zu. ... Endlich mal wieder ein SPD- Man, der die Meinung der Bürger vertritt. Wenn die SPD den Mann aus der Partei ausschließt, geht die Glaubwürdigkeit komplett verloren. Rolf M., Tensbüt­tel- Röst. Erstens vertritt er nicht die Meinung aller Bürger und zweitens nicht die aller SPD- Mit­glieder.

Ja. Er gibt Volkes Stimme wieder. ... Armin R. Lohe- Rickelshof. Eben nicht. Er gibt dem Volk seine Meinung vor.

Ja. Ich stimme voll zu, weil: In Großstädten, wie z.B. in Berlin ist es in einigen Klassen schon so, dass mehr Migrationskinder die Mehrheit bilden als deutsche Kinder. Teils sagen Türken schon selbst, ihnen kann nichts passieren: Ich bin Türke. Und warum sprechen Langzeit-/ Türken- Deutsche nach Jahrzehnten immer noch kein Deutsch? El­vira K. Schülperweide. Der erste Satz, die Mehrheit betreffend ist kein Problem, dass nicht gelöst werden kann, sondern eher eine Chance, mehrsprachig zu lernen. Im zweiten Satz wünscht die Schreiberin, dass einem Türken was passieren kann. Da­mit meint sie, die Türken müssten bestraft werden. Warum, da fragt sie am besten die Betroffenen selbst.

... Zur genetischen Verwandtschaft von Juden: Als Sarrazin von einem Journalisten gefragt wurde, ob einige Volksgruppen genetisch verwandt sind, hätte er wegen der deutschen Vergangenheit vielleicht nicht gerade das Beispiel der Juden wählen müs­sen. Aber faktisch ist es doch richtig. Fragen sie mal einen Juden, ob alle Juden einen gemeinsamen Genpool bilden, und er wird Ihnen erzählen, dass alle Juden von einem Stammvater abstammen, nämlich Abraham. Das ist keineswegs etwas negatives, sondern eine Tatsache, auf die die Juden stolz sind. Dagmar v. P; Meldorf. Ich unterstelle mal, dass D.vP. noch nie im Leben einem Juden begegnet ist. Aber der Antisemitismus kommt nach Florian Eisheuer ohne Juden aus. Weiterhin ist die Gen­technik von Gegnern der „Humanbiologen“ oft kritisiert worden. Sie unterstellt Emigrantinnen und Emigranten eine Andersartigkeit, so dass sie vor dem Gesetz keine Gleichbehandlung erwarten können.

Ja. Die Wahrheit ist schmerzlich, die Lüge aber ist tödlich. Dr. Farhad K.; Heide.

Ein Deutschland ohne nicht arbeitende Ausländer wäre ein reiches Deutschland! We­niger Kriminalität, Rauschgift, Schmarotzer. Uwe H; Burg. Bei soviel Rassismus möchte man den Typ fragen, ob das nicht weh tut. Ein Deutschland ohne Ausländer wäre ein armes Deutschland.

Ja, vollinhaltlich. Die meisten muslimischen Zuwanderer sperren sich der sprachli- chen und kulturellen Integration, bohren mit ihrem Kindersegen seit Jahrzehnten unseren Sozialstaat auf. Martin G.; Marne. Der Vorteil der Muslime, die Kinderfreundlichkeit, wird von ihm als ein handwerkli­cher Vorgang, „Bohren“ und „Sä(e)gen“, beschrieben. Der Inbegriff der Unschuld wird hier völlig verkehrt. Auf einmal ist „Das Kind“, das Fremde, damit beschäftigt, den unschuldigen Staat zu unterminieren. Ginge es nach ihm, dürften nur „christlich, jüdische Kinder“ „unseren“ Sozialstaat genießen.

Ja. Integration unmöglich, Islam heißt Unterwerfung,  Glaube oder Tod! Tiefes Mittel­alter, Verachtung der Frauen. Fiete D.; Friedrichskoog. Der Mann weiß eventuell besser, was Islam heißt, als ein Gläubiger. Nämlich das Böse. Er nutzt den Vorwurf der Frauenverachtung, um recht zu haben.

Wir sind nicht ausländerfeindlich, aber sie sollen unsere Kultur akzeptieren und nicht uns ihre Kultur aufzwingen. Wenn man in einem Gastland lebt, soll man sich auch als Gast benehmen. Peter und Gisela von H; Barlt. Die ersten vier Worte strafen sie selbst Lügen. An wen soll die Diffamierung als „sie“ gerichtet sein? Und was meinen die beiden mit „unserer“ Kultur? Es gibt auf der ganzen Welt kein anderes Land, dass von jemandem verlangt, sich wie ein Gast zu benehmen.

Ja, wenn Sarazin feststellt, dass ein Teil der Muslime sich nicht integrieren, sondern Parallelgesellschaften bilden will, wir das aber nicht wollen! Nein, weil die Integration nicht möglich ist, ohne dass die deutsche Art zunehmend verschwindet, aus der die Sitten und Gebräuche stammen, an die sich die Fremden anpassen sollen. Elke und Gundolf F.; Hemmingstedt. Hier schreiben zwei religiöse Rechte, die schon vorher so dachten. Die Parallelgesellschaften sind aber meistens von Städtebaupolitikern so gewollt. Die Sitten und Ge­bräuche sind in Jahrhunderten der Völkerwanderung nicht verschwunden, bzw. erst entstanden.

Dieses Buch soll die Leserin und den Leser anregen, selber aktiv zu werden. Um zu verstehen, warum ein Volk sich zu solchermaßen krudem Zeug öffentlich bekennen kann, müssen wir uns mit seiner Geschichte vornehmlich der Zeit des Nationalsozialismus befassen. Schleswig- Holstein galt als Kernland Nordischer Rasse. Das Plattdeutsche erzeugte nicht nur emotionale Verbundenheit, sondern ließ auch die nationalsozialistischen Inhalte weniger brutal klingen. Studierende aus Schleswig- Holsteinischen Universitäten schrieben in ihrem Katalog zur Ausstellung: „Ganz Deutschland ist ein Koog - Dithmarschen im Nationalsozialismus“ 2008 im Vorwort: „Ist von Schleswig- Holstein im Allgemeinen schon bekannt, dass es dem Nationalsozialismus stärker zugetan war, als alle anderen Regionen des Deutschen Reiches, so stellt wiederum Dithmarschen innerhalb Schleswig- Holsteins gewissermaßen einen braunen 'Leuchtturm' dar. Kaum sonst in Schleswig- Holstein wurde der Nationalsozialismus so freudig und früh herbeigesehnt wie hier, kaum anderswo wurde er so intensiv aufgenommen und verinnerlicht und kaum anderswo, und das gilt sogar für das 'Nachzüglerland' Schleswig- Holstein insgesamt, das sich hiermit sehr viel Zeit gelassen hat, so spät 'aufgearbeitet' wie hier.“1 Damit beantwortet sich die Frage unserer Eltern an uns: „Aber was hätten wir denn tun sollen?“ Sie fragten uns, die nicht mitreden und sich nicht vorstellen konnten, wie es damals war. Das wir nichts machen konnten, ist ein Märchen.

  1. 1.Die Nazis nutzten den Stolz der Dithmarscher Bevölkerung auf ihre Geschichte und dabei vor allem die Schlachten. 

  2. 2.Die Dithmarschen nahmen diese Instrumentalisierung der seit Jahrhunderten tradierten freien Bauernrepublik bereitwillig an. 

  3. 3.Die Dithmarscher ließen sich gerne in die Rolle des perfekten Ariers drängen. Auf diese Weise konnten sie die Dithmarscher Geschichte zu einer Vorgeschichte des Nationalsozialismus umkonstruieren. 

  4. 4.Sie erhoben etwa das Bauerntum als Reichsnährstand zum Träger der zukünftigen deutschen Rasse. Das Aussehen des in Dithmarschen lebenden Menschenschlags wurde von ihnen zudem zum Ideal ihrer abstrusen Rassenideologie vom „germanischen Herrenmenschen“ erhoben. 

  5. 5.Das Projekt einer „Volksgemeinschaft entfaltete eine Faszination und innenpolitische „Suggestivkraft“, die die Deutschen und die Dithmarscher gleichermaßen auf emotionaler Ebene einfangen und beeinflussen konnte. 

Hier scheint eine Clanstruktur durch, die den Großvater mehr schützt, als das Recht, und die sich in den Urgesellschaften Lybiens vorzüglich zurechtfinden könnte.

1: 13 Mädchen, 6 Frauen, 4 Männer: Bund deutscher Mädel Meldorf (BDM), 1937; Landesarchiv Meldorf

1Katalog der Ausstellung „Ganz Deutschland ist ein Koog- Dithmarschen und der Nationalsozialismus“ 12. April - 2. Nov. 2008 im Dithmarscher Landesmuseum.