Was geht uns Marne an, hier in Meldorf? Warum sollten wir einem Marner einen Dienst erweisen? Das sahen die Gäste in einem voller Traumausstatter anders. Nicht dass wir mit mehr gerechnet hatten, die Überlegung war indes eine zweite Lesung, wenn jemand draußen bleiben sollte.
In außergewöhnlicher Schärfe entfaltete Dietrich Stein die Story und benannte die unbezweifelbaren Täter, Beck, Breuer, Bley und v.d.Fecht. Er nannte sie Terroristen und schilderte ein Gespräch mit Klaus Braak, dem jetzigen Bürgermeister, den er bat, sein Buch auch einmal zu lesen und der darauf antwortete, och nö, ich lese im Moment Erich Kästner. Auf meine Frage, wie er sich erklärt, dass so viele Menschen sich für das unangenehme Thema interessieren und im Gegensatz dazu von den politischen Eliten überhaupt nichts kommt, stimmte er mir völlig zu und sprach die Hoffnung aus, dass sich nun etwas regen könnte.
Seine Würdigung der Mittäter war etwas dünn. Wigger in Funtion des SS-Führeres und Bürgermeisters, Beck als Rechtsanwalt und Verawandter eines Täters und Stöfen als Wiggers Stellvertreter und ehemaliger Bürgermeister waren die direkten Führungsverantwortlichen. Die Rolle des Polizisten, des Pastors und des behandelnden Arztes ist noch aufzuabeiten. Damit wir von der Einzeltätertheorie nicht überwältigt werden, kommen noch die Nazis mit in Betracht, die am Abend der Tat in Meldorf eine Versammlung hatten.
Konform ging er mit der Frage der Klaus- Groth- Schülerinnen und Schüler, wie es angehen kann, dass das Wiggerbild noch im Rathaus hängt.
Ein Zuhörer aus Husum meldete sich im Anschluss: "Ich bin 1935 geboren." Er wies auf die heutige Situation im Zusammenhang mit dem Rechtsaufkommen hin und endete sehr pessimistisch. Ich stimme mit ihm überein und kann nur hoffen, dass die Adolf Bauer Aufarbeitung vor der nächsten Machtergreifung geschieht, sonst hat Klaus Braak genauso Chance wieder rauszukommen, wie Wigger.
Soeben hatte ich ein Gespräch mit einer ehemaligen Schulfreundin, die überhaupt nicht mit dem Verfahren unsers Atbeitskreises einverstanden war und empfahl, wir möchten uns doch besser mit der Isländischen Schülerin beschäftigen. Ich kam nicht mehr zu Wort, aber wenn, dann hätte ich ihr geantwortet, was von der Arbeit eines Bürgermeisters zu halten ist, der andere Sachen wichtiger findet, als die Beschäftigung mit einer Straftat eines oder mehrerer seiner Vorgänger. Auch wenn ich mich freue, dass die Schülerinnen und Schüler auch schon drauf aufmerksam machen, 40 Jahre nachdem wir es taten, sind mir die Bloggerin Analena Schmidt, Bautzen und die Marner Schülerinitiative wichtiger.
Lesung mit Hans Frank aus seinem letzten Buch "Schwarze Seele. Feiges Maul". Andreas Altenburg und Lars Jessen werden, wenn sie am 2. April Zeit haben, sich mit einer szenischen Lesung beteiligen! So long!
Anhand zahlloser Akten erzählt Niklas Frank empörende, aber auch absurd komische Fälle voller Lug und Trug aus der Zeit der Entnazifizierung zwischen 1945 und 1951. Dreist verkauften damals Mitglieder und Nutznießer der NSDAP die Spruchkammern für dumm und retteten sich ohne Reue ins demokratische Deutschland. Frank gewährt uns großartige Einblicke in den giftig-süßen Beginn der bundesdeutschen Demokratie und erschreckende in den Alltag des "Dritten Reichs". Böse analysiert er, dass ein direkter Weg von damals zum heutigen Verhalten der schweigenden Mehrheit der Deutschen führt. Ein Buch zum Staunen, wütend werden und zum bitteren Lachen. Neben Prominenten wie Lina Heydrich, Oskar von Hindenburg, Emmi Göring, Winifred Wagner und anderen interessiert sich Frank vor allem für die vielen unbekannten Nazis, die das unmenschliche System gestützt und bejubelt haben, ihre Mitmenschen denunzierten, bei der Judenverfolgung wegsahen und sich bei den Mächtigen anbiederten.
»Sie brauchen sich nicht zu schämen. Sie sind unschuldig. Aber auch Sie werden beim Studieren der Akte Ihres Großvaters seine Feigheit erkennen und dadurch Ihre eigene besser bekämpfen können. Das üble Verhalten unbekannter Parteigenossen während ihrer hohen Zeit verschaffte mir einen völlig neuen und faszinierenden Blick in den Alltag des Dritten Reichs – in die Hölle unserer Vergangenheit. Von der missglückten Entnazifizierung führt ein direkter Weg zu jener klammheimlichen Freude, mit der heute die schweigende Masse der Deutschen jeden Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkünfte begleitet. Denn unsere verruchten Väter und Mütter, Groß- und Urgroßeltern, die Hitlers Diktatur bis zur totalen Kapitulation beinhart mitgetragen hatten, träufelten ihren Kindern und Kindeskindern durch das Schweigen über ihr eigenes Tun zwischen 1933 und 1945 etwas ein, was erst zu Verklemmung, dann zu Hass und zuletzt zu Gewalt führen kann. Dennoch staune ich Tag für Tag, wie aus dem Entnazifizierungssumpf an Lug und Trug eine noch immer glänzend funktionierende Demokratie entstehen konnte. Erst jetzt beginnt sie zu zerbröseln.
Träger von Schmissen waren äußerst Hitleraffin. Überhaupt bildeten Studenten ein brodelndes Reservoir an Übeltätern im Namen der braunen Ideologie.
Facharbeiter hatten die Tendenz, sich selbst in kleinen Parteiämtern gemeingefährlich wie Himmler oder Streicher aufzuspielen.
Zwei Drittel aller Denunzianten waren Denunziantinnen.
Die feigsten Lügengespinste wurden von Gymnasiallehrern beiderlei Geschlecht gewoben.
Je weiter man beim Studium der Entnazifizierungsaktenakten aus dem Norden in den Süden Deutschlands vorstößt, desto hinterfotziger und gemeiner wird ihr Inhalt.«