Jan Klabunde

JOHANN WILHELM JASPER

Jg. 1898 Im Widerstand Verhaftet 28.02.1933 Hingerichtet 29.09.1934 in Hamburg Verlegungsort: Marschstr. 37, 25704 Meldorf (Aufschrift für den Stolperstein)

Johann Wilhelm „Willy“ Jasper wurde am 28.1.1898 am Meldorfer Sandberg Nr. 22 (heutige Marschstraße 37) geboren. Er war das achte Kind, von seinen sieben Geschwistern lebten bei seiner Geburt nur noch vier. Drei von ihnen waren sehr viel älter als er. Der Sandberg war in dieser Zeit das Viertel der Armen in Meldorf und wahrscheinlich besuchte Johann Wilhelm Jasper wie die meisten jungen Sandberger damals die Armenschule.

1916 wurde er im Alter von 18 Jahren eingezogen und nahm als Minensucher am 1. Weltkrieg in der Marine teil. Nach 1918 fuhr er als Matrose zur See. Später arbeitete er als Schauermann im Hamburger Hafen und lebte in der Neustädter Straße im Hamburger Gängeviertel. In diesem Viertel war die KPD die dominierende politische Kraft.

Wie der überwiegende Teil seiner Kollegen wurde Willy Jasper Mitglied der KPD. Er übernahm eine Funktion als Organisationsleiter. Die „Rote Marine“ zeichnete sich durch eine besondere Militanz aus. Sie  rekrutierte sich vor allem aus Seeleuten, Hafen- und Werftarbeitern. Es waren handfeste Männer, die es gewohnt waren, kräftig zuzugreifen und, wenn es notwendig schien, auch zuzuschlagen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 organisierte die „Rote Marine“ bewaffneten Widerstand gegen die Hitler- Regierung. Am 21. Februar 1933 eröffneten Einheiten der Roten Marine das Feuer auf das Adler- Hotel, einem SA-Stützpunkt am Herrengraben. Bei dem Feuergefecht wurden zwei unbeteiligte Personen getötet, ein weiterer Passant und ein SA- Mann verletzt.

Von den insgesamt 45 Angeklagten vor dem Hanseatischen  Sondergericht hat Jasper als Einziger die Taten bestritten und die Aussage verweigert.

Das Verfahren gegen ihn wurde erst später eröffnet. Vier der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und am 19.5.1934 hingerichtet. Mit den Worten Roland Freislers fungierte das Hanseatische Sondergericht als „Panzertruppe der Rechtspflege“ und somit tatsächlich als „nationalsozialistisches Revolutionstribunal.“ (Frank Bajohr).

Am 26. Februar wurde eine Reihe von Überfällen auf SA- Angehörige und SA- Lokale durchgeführt, aber der geplante Überfall auf den SA- Umzug fand nicht statt. Willy Jasper wurde bei dieser Aktion in einem Schusswechsel mit der Polizei verletzt und verhaftet. Nach seiner Verhaftung wird er dem Kommando zur besonderen Verwendung (K.z.b.V.) der Hamburger Staatspolizei übergeben. Dort waren „Prügel und Folter an der Tagesordnung, um Aussagen und Geständnisse zu erpressen.“ 1934 wird das KzbV aufgelöst wegen dessen „primitiv rücksichtslosen Methoden“, so die Begründung der Hamburger Gestapo. Willy Jasper bleibt zehn Monate in Haft. Anschließend wird er in die Staatskrankenanstalt Langenhorn eingewiesen.

Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht verurteilte ihn am

25. September 1934 wegen „Mordversuches und schweren Landfriedensbruches“ zum Tode. Er selber hat die Taten abgestritten. Am Abend des 28. September wurde ihm mitgeteilt, daß die Hinrichtung am nächsten Morgen stattfinden würden. Entgegen der allgemein üblichen Praxis durfte ihn seine Frau Christine in der Nacht vor der Hinrichtung besuchen. Da Willy nicht mehr sprechen konnte, sprach Christine und Willy antwortete schriftlich auf kleinen Zetteln. Diese Aufzeichnungen aus der letzten Nacht wurden von der Gestapo anschließend abgetippt, auf Gerichtsverwertbares durchgesehen und dann der Psychiatrie Langenhorn zur Verfügung gestellt. Eine Veröffentlichung wurde allerdings verboten.

Am frühen Morgen des 29. September 1934 wurde Jasper zur Hinrichtungsstätte im Hofe des Untersuchungsgefängnisses geführt. Die Glocken läuteten. Das Urteil wurde durch das Handbeil vollstreckt. Die vollzogene Hinrichtung wurde öffentlich bekanntgemacht. Sein Leichnam wurde dem anatomischen Institut der nächstgelegenen Universität für Forschungszwecke überlassen.

In einer Ehrentafel der KPD von 1936 oder 1937 ist Johann Wilhelm Jaspers Name aufgeführt. Ansonsten ist sein Widerstand und der der „Roten Marine“ weder dokumentiert noch anerkannt worden - auch nicht von der KPD, die den bewaffneten Widerstand gegen den Nationalsozialismus ablehnte.

Johann Wilhelm Jasper fühlte sich bis zu seinem Tode Meldorf verbunden, er grüßt in seinem Abschiedsbrief nicht nur seine Familie, sondern auch die politischen Freunde aus der Meldorfer KPD und SPD.

(In dem wird der Musikers Heinrich Jasper, Trotzenburg 10 genannt, der  vom 13.11.- 11.12.33 politischer Gefangener im Bürgergehorsam in Meldorf war. Die genannten Heinrich Timm und Tautenhahn waren 1920 Mitgleider im Soldatenrat Ammerswurth.)

A b s c h r i f t .

Bitte den Brief durchzul. eines für s.Idee

Abschiedsbrief. Hamburg, den 28. September 34.

Meine inningstgeliebte gute Frau. Hoffentlich meine liebe Christel haßt Du den Zuhauseweg gut überstanden, sei man  nicht mehr so traurig, mein Liebling. Wenn Du Du diesen Brief erhälst, dann schlaf  ich in guter Ruh. Du weißt ja am besten, was ich vür ein matyrium durchgemacht habe, und ich habe die Ruhe  verdient, ich mach auch nicht mehr. Du weißt doch wie ich in mein Leben gehetzt  wurde, und Du hatteßt auch viel Kummer, und Sorgen, nun meine liebe Christel, nun  sei man stark, ich muß es ja auch sein. Du muß Dir da nichts bei denken, wenn ich Fehler mache in den letzten Brief, ich habe  nur noch kurze Gedanken. Du weißt ja, daß ich für die Idee Karl Marx gerne meine  Freiheit und mein Leben gegeben habe. Und ein überzeugter Kommunist bin. Und ich weiß, daß meine Kameraden und Genossen und vor allen Dingen, Du meine  liebe Christel ich stets in euren Andenken bleibe. Die letzten Stunden mit Dir, waren  meine schönsten Stunden meines Lebens. II. Und werde mit Deinen Bilde auf meinen Herzen den letzten Gang stolz und mutig  gehen. Nur im Glauben an den Sieg meiner Partei und an Dich werde sterben. Darum mutig mein Kind, sehe fest in die Zukunft, der Geist Liebknecht wird siegen,  und wenn Du dann noch meinen Namen trägst, so werden meine Genossen Dich gute Abendstunden bereiten, denn Du meine liebe  Christel haßt es ehrlich verdient, Du warst ehrlich treu und gut. Vergesse nicht mein  Wunsch. Und trage Deinen Kopf stolz hoch. Und wenn Du kannst, so gehe nach Rußland. Meine Freunde  werden Dich hohlen. Es ist jetzt sehr langweilig, aber die Zeit geht auch vorüber. Und meine liebe Christl, vergesse 2 Hügel nicht in Ohlsdorf, das ist Jonny und Dein Willy, Du weißt doch ich war im Leben ein guter Kamerad, und möchte es es auch im Tode sein, und es kann jetzt nur sein, wenn Du mich ein Bund Blumen  bringst, so gibst Du Jonny die Hälfte ab. Er war mein bester Freund im Leben. Nun liebe Christel möchte ich schliessen, ich bin so abwesend.

Dein Willy.

Nun sei vielmals gegrüßt und von Dein imer küssender und liebender

III. gez. Mann Willy

Grüsse alle Kollegen und Genossen und Nachbarn, Schweigend gekämpft, schweigend gelitten, und schweigend werde ich sterben. Schauerm. Willy Jasper Orgleiter der Roten Marine S. 3 Hbg.

Rot - Front. Hoch lebe der Geist Liebknecht. Hoch lebe III. Internationale, Seid Getreu, bis in den Tod .

Für richtige Abschrift :  Hamburg, den 2. Oktober 1934. A b s c h r i f t  Hbg. d. 28. Sbt. 1934. Abschiedsbrief.

Mein lieber Bruder Emil, und Grete und Kinder .

Habe heute um 6 Uhr Abends die freudige Nachricht bekommen, daß ich morgen  früh um 6 Uhr hingerichtet werde, mein lieber Bruder Du darfs nicht traurig sein, denn das ist Schicksal eines Menschen, Du darfs nicht schlecht von mir denken. Ich war ein treuer Soldat der Revolution, habe die  Richtlinien meiner Partei und der Roten Marine treu durchgeführt, ich war Orgleiter der Roten Marine, bin wegen 4 Bomben und Terroracktionen vom Sondergerich Hbg im Namen den Volkes zu  40 Jahren Zuchthaus und zum Tode verurteilt. Ich bin 20 Monate in Haft davon 10 Monate in der Irrenanstalt. Habe ein Matyrium hinter mich, bin seelisch und köperlich kaputt„ und freue mich,  dass ich meine Ruhe habe. meine liebe Christel ist die Nacht bei mir, Sie hat treu zu mir gehalten. Und hoffe, daß Sie noch gute Jahre verleben wird. Sie hat es verdient. Trotzdem ich euch gebeten habe meine Christel beizustehn, habt Ihr Sie alle vergessen. Aber auch dieser Kelch ging an mich vorüber. Sogar Heinrich kannte meine Frau nicht mehr. Trotzdem Sie Ihm viel Gutes tat. Wie Ihren eignen Sohn, hat Sie Ihm behandelt. Vieleicht mein lieber Emil, schämt Euch vür mich, aber Ihr braucht das nicht. Von meinen Hamb. Genossen werde ich treu geehrt. Ich habe keinen keinen  verrat getan ein Dutzend haben mich verraten, alles auf Willy Jasper geschoben, aber das macht  nichts, einer soll ja man die Schuld haben, ich kann leider nicht mehr sprechen, die ich durch mein matyrium verloren habe, ein Rußisches Sovjet- Schiff wird stolz meinen Namen tragen. Es sind  soviele für die grosse Idee Karl Marx gestorben, ich werde zur rechten Seite von Karl Liebknecht sitzen. Habe schweigend gekämpft, schweigend gelitten, Und werde schweigend sterben. Nun mein lieber Bruder Emil, und Grete nun will ich schließen. In der Hoffnung, daß Ihr noch gute Jahre verleben werdet.

Nun seid vielmals gegrüßt von euren und Deinen treuen Bruder. gez. Wilhelm. Organisationsleiter der Roten- Marine. Schönen Gruß an Grete, Bruder Karl, Heinrich, Hans. und Elise, Elfriede, Anny Timm, Heinrich Timm und Frieda, Anny und Otto, Herrmann Wittorf, Heinrich Neumann, Willy Ramke, Gustav Tautenhahn u, Friedr. Osnabrück.

Und es grüsst such fielmals von Herzen Euere Schwägerin gez. Christel ich binn bei mein Willem bihs um Mitternacht.

Hamburg, den 2. Oktober 1934.

Für richtige Abschrift : Unterschrift

Abbildung 1: Quelle: Bundesarchiv Berlin