Der Wehrwolf oder Werwolf wurde von Reichsführer-SS Heinrich Himmler als nationalsozialistische Freischärler- bzw. Untergrundbewegung ab September 1944 ins Leben gerufen.
Die Verbreitung des "Wehrwolfs" in Schleswig-Holstein beschränkte sich nicht auf die Städte- nachweislich bestanden Ortsgruppen in Kiel, Altona, Neumünster, Itzehoe, Heide, Meldorf -, sondern er konnte sich auch in ländlichen Gemeinden, insbesondere in den Landkreisen Rendsburg und Steinburg, zeitweise auf eine bemerkenswerte Anhängerschaft stützen. Zu seinen 1924/25 abgehaltenen provinzialen Großkundgebungen, deren größte in der Rendsburger Landgemeinde Hohenwestedt stattfanden, kamen wiederholt über tausend Teilnehmer.
Georg v. Wilamowitz- Moellendorff (1893-1943) avancierte im Landesverband Nordmark des "Wehrwolf - Bund deutscher Männer und Frontkrieger e.V." zum Geschäftsführer.
Die Bezirksgruppen des Wehrwolfes innerhalb der Gaue wurden von Hamburger Großkaufleuten unter Vermittlung des Generals a.D. Helfritz finanziert. Zu den herausragenden norddeutschen Mitgliedern gehörte der Chemiker und Sachverständige für die Verfrachtung von Sprengstoffen bei der HAPAG, Dr. rer. nat. August Hellmann. Beide sahen ihre große Chance auf eine Durchsetzung ihrer gewaltbereiten Politik mit dem Aufkommen der Bombenattentate der Landvolkbewegung unter Claus Heim und Hamkens ab 1928 gekommen.
Hellmann und v. Wilamowitz entschlossen sich jedoch, ein deutlicheres Zeichen zu setzen und benutzten dazu die von Hellmann in seinem HAPAG- Labor gefertigten von ihnen selbst sogenannten "Höllenmaschinen" (Bomben), die sie an Behörden explodieren lassen wollten, um damit symbolisch einen Anschlag gegen den Staat zu führen. Ihr Plan gelang, denn in der Nacht zum 15.März 1930 explodierten, nachdem sich die Bombenleger vom Tatort entfernt hatten, an den Finanzämtern von Neumünster und Bad Oldesloe je eine Bombe, die erheblichen Sachschaden verursachten. Da sie der Täterschaft an den Bombenattentaten überführt wurden, erhielten sie nach einer Gerichtsverhandlung im Dezember 1930 vom Altonaer Schwurgericht eine Strafe von fünf Jahren (Hellmann) und fünf Jahren und einem Monat (v.Wilamowitz) Zuchthaus. Georg v. Wilamowitz wurde daraufhin in die hessische Strafanstalt Kassel- Wehlheide eingeliefert. Aufgrund einer Anordnung des preußischen Inneministeriums kam er jedoch im Juni 1932 wieder frei.
1945 kurz vor Ende des Krieges rief der Bestsellerautor Gustav Fressen in einem Radiobeitrag die deutsche Jugend auf, nicht zu kapitulieren. Er war itarbeiter der Reichspressestelle. Ein Zeitzeuge berichtete im Mai 2010 auf einer Gedenkfeier der Initiative "Blumen für Gudendorf" davon, dass er mit einer Wehrwolfgruppe als 16- jähriger im Gras versteckt auf die britischen Panzer schießen sollte. Als sie aber merkten, dass ihre Führer,- darunter wohl auch Ferdinand Dieckmann,- sich längst aus dem Staub gemacht hatten, brachen sie die Aktion ab. Zwischen dem 6. und 9.5. 1945 befanden sich sechs Meldorfer in politischer Haft im Bürgergehorsam, dem städtischen Polizeigefängnis in der Klosterstraße. Es waren der Tapezierer Richard Hardekopf, der Elektromeister Robert Wulf, der Angestellte Viggo Falkenberg, und die drei Schüler Grünhagen, Schmidtpott und Thode.
Zur selben Zeit hatte sich, wohl auf Geheiß des Bürgermeisters Ferdinand Dieckmann, gleichzeitig Wehrwolfführer, eine Gruppe im Meldorfer Dom verschanzt. Im März 1946 hob die US-Militärregierung eine NS- Untergrundbewegung aus und verhaftete über tausend Beteiligte. Reimer Schmidtpott schreibt in der Familienchronik: Der letzte Dienst im Sanitätsbereich vor dem endgültigen Ende des Krieges war für Georg Kröger und Reimer Scmidtpott der Transport der von dem damaligen Bürgermeister Dieckmann angeschossenen Weinhändlers Jansen vom Rathauskeller zum Krankenhaus. Dafür wurde die fahrbare Trage benutzt, die damals in der Garage der Malerei von Claus Wulff abgestellt war. Der Verletzte erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Eine kleine Zahl der Feldschere (HJ) ist nach dem Krieg weiterhin von Georg Kröger in einer Ausbildung zum DRK- Helfer unterrichtet worden. Unter dem Nachfolger von Georg Kröger wurde die DRK- Helfer- Prüfung abgelegt.
Eine gesonderte Darstellung soll den Ereignissen kurz vor und nach dem Einmarsch der britischen Truppen dienen: Reimer Schmidtpott und seine beiden Freunde Walter Thode und Gerhard Grünhagen machten von sich reden, weil sie den Eindruck erweckten, sie wollten Meldorf noch gegen den Feind“ verteidigen. Vorsichtshalber wurden sie am 12. Mai 1945 von einem Meldorfer Polizisten festgenommen und für eine Nacht in das damalige „Bürgergehorsam“ gesteckt. Am nächsten Tag wurden die drei den Briten übergeben, die sie in dem Postamt Meldorf für 10 Tage festsetzten. Dabei lebten sie mit den britischen Soldaten zusammen und wurden auch von ihnen versorgt. Vernehmungen fanden nicht statt. Reimer Schmidtpott durfte an einem Tag seine Mutter sehen, die ihn im Hof des Postamts besuchte. Nebenbei lernten die „Gefangenen“ das Umgangsenglisch der Soldaten kennen und sammelten eine kleine Portion praktischer Erfahrungen mit der englischen Küche. Bedrückend war damals für die 3 der Umgang der britischen Soldaten mit der Todesnachricht von Hitler, man spielte Messerwerfen auf ein Hitlerbild. Empörend war für die 3 auch das Verhalten einiger Frauen, die in einem Hof, der vom Postamt aus eingesehen werden konnte, ihre Unterwäsche ausbesserten und damit den britischen Soldaten zuwinkten.
Am Morgen des 22. Mai 1945 sagte einer der Soldaten: „It's secret, but you will be free today!“ Und so geschah es auch, formlos wurden die 3 Jungen freigelassen und konnten ohne weiteres nach Hause gehen. Es ist hier zu betonen,dass die Jungen über keinerlei Waffen zur Verteidigung verfügten und dass der vermeintliche Wille zur Verteidigung wohl eher ein Wunschdenken war – so die Sicht heute. In der allgemeinen Hysterie des Kriegsdenkens mussten die damals Verantwortlichen nicht ohne Grund befürchten, dass der Stadt Meldorf großes Unheil drohen würde, wenn den einrückenden Truppen Widerstand geleistet worden wäre. Reimer Schmidtpott wurde und wird auch heute noch, nach über 50 Jahren, bisweilen auf das Gerücht angesprochen, dass er Meldorf im Mai 1945 verteidigen wollte.
Es gab noch ein Nachspiel: Anfang 1946, als die Schule wieder begann, wurde Reimer Schmidtpott eines frühen Morgens zum britischen Geheimdienst bestellt und dort wurde von dem Meldorfer Kommunisten Schröder im Beisein des Verhöroffiziers die Behauptung aufgestellt, dass Reimer Schmidtpott einer der damals berüchtigt gewesenen Wehrwölfe sei. Reimer Schmidtpott konnte glaubhaft versichern, dass an der Behauptung nichts dran sei und wurde mit einer Verwarnung und einer Ermahnung entlassen. Von da an ist nie wieder ein Vorwurf erhoben worden. Da er zu spät in der Schule erschien, unterrichtete Reimer den kommissarischen Schulleiter, Herrn Herzberg, von dem Vorkommnis und ging dann in seinen Klassenraum.1
In Frankfurt am Main teilte US Brigadegeneral E.I. Sibert am 1. April 1946 Einzelheiten über die bisher gefährlichste aufgedeckte Umsturzbewegung mit. Unter ihnen befanden sich der ehemalige Reichsjugendführer Artur Axmann. Willi Heidemann, Oberbannführer in der Hitler- Jugend und Leiter des Amtes für Jugendwohlfahrt in der Reichsjugendführung, Gustav Memminger, HJ- (Hitlerjugend-) Hauptsturmführer, Leiter des HJ- Kriegseinsatzes sowie der Abteilung für Presse und Propaganda in der Reichsjugendstiftung, Wilhelm Overbeck, Leiter des Organisationsamtes RJF, Kurt Budäus, HJ- Gebietsführer, SS- Sturmbannführer und Leiter der Personalabteilung der Reichsjugendführung sowie Willi Lohel, HJ- Gebietsführer und Kommandant des "Gebietes 7, Nordsee". Auf die Organisation war der US-Geheimdienst schon im Mai 1945 aufmerksam geworden.
Nachzutragen ist noch, dass Wilhelmine Schmidtpott, die Witwe des Albert in den Tagen des Zusammenbruchs verfängliches Material vernichtete, wie NS- Uniformteile, NS- Bücher u.a. „Mein Kampf“, NS- Bilder, und auch die Alben mit den Bildern, die Albert aus dem Krieg heimgeschickt hatte, von bestimmten Bildern, die die Ermordung von Juden zeigten, befreite. …
Wenn man die Situation Meldorfs in der Zeit des Kriegsendes und danach betrachtet, kann festgestellt werden, dass Meldorf „noch einmal davongekommen ist“, jedenfalls sind die Probleme nicht zu belastend geworden, Stromsperren hielten sich in Grenzen, da in den Stadtwerken intakte Dieselmotoren für die Gleichstromerzeugung standen mit beträchtlichen Mengen Dieselöl. Menschenjagden gab es nicht bis auf einige Tage im Mai 1945, in denen sich manche Deutsche (Meldorfer Bürger!) berufen fühlten, alte Rechnungen zu begleichen. …
Mit seinen Briefen schickte Albert auch oft Fotos, die er oder seine Kameraden gemacht hatten oder die sonstwie in seine Hände kamen. Aus Russland kamen Fotos die damals nicht bedrückend erschienen, aber heute doch eine gewisse Belastung sind, Bilder von sogn. (sogenannten= der Autor) Roten Kommissaren (Politkommissare in der Roten Armee), und „Flintenweibern“, die auf ihre Erschießung warteten, Bilder von Juden, die ihr eigenes Grab schaufeln mussten (Wilhelmine hat diese Bilder im Mai 1945 vernichtet), ...
Abbildung 1: Kundgebung anlässlich einer Führerrede 1937; Quelle: Landesmuseum Meldorf
1 Schmidtpott 1926- 1996; Drogerist Albert Schmidtpott und seine Familie; 70 Jahre in Meldorf; In den Jahren 1999 bis 2001 zusammengestellt von Reimer Schmidtpott unter Mithilfe seiner Geschwister; Landesmuseum Meldorf.